Editorial

Tipp 208: Glyoxal-Fixierung

Formaldehyd war bei der Fixierung von Zellen für Immunfärbe-Experimente bisher nur schwer zu ersetzen. Mit Glyoxal fanden Göttinger Forscher jedoch eine echte Alternative.

Pathologen fixieren ihre Proben und Gewebeschnitte schon seit mehr als hundert Jah­ren mit Formalin beziehungsweise Formaldehyd. Aber auch Biologen halten Zellstruktu­ren mit Formaldehyd fest – etwa bei der Immunfärbung für die Fluoreszenz-Mikroskopie. Meist lösen sie dazu das pulverförmige Formaldehyd-Polymer Paraformaldehyd (PFA) in einem schwach alkalischen Puffer, um eine Lösung mit vier Gewichts­prozenten Form­aldehyd zu erhalten.

Besonders scharf auf den Umgang mit dem stechend riechenden PFA ist im Labor sicher niemand, zumal die Substanz nicht nur gesundheitlich bedenklich ist. In der Literatur finden sich zahlreiche Belege für experimentelle Probleme, die offensichtlich auf die ­Formaldehyd-Fixierung zurückzuführen sind. Dazu gehören zum Beispiel morphologische Veränderungen der Proben, verschwundene Epitope oder fehlgeleitete Zielproteine.

Nur zu gerne würden viele Forscher deshalb auf das ungeliebte Formaldehyd verzichten, fanden bisher aber keine brauchbare Alternative. Ersatzstoffe wie Glutaraldehyd oder Methanol haben ebenfalls erhebliche Macken. Glutaraldehyd versperrt den verwendeten Antikörpern häufig den Zugang zu den entsprechenden Epitopen, und bei der Alkoholfixierung gehen schon mal cytosolische Proteine oder Membranen verloren.

Eine Alternative musste her

Für eine Gruppe um Silvio Rizzoli von der Universität Göttingen war deshalb klar, dass endlich eine moderne Fixiersubstanz her musste, die weder die Gesundheit der Wissenschaftler noch ihre Experimente negativ beeinflusst (EMBO J 37(1):139-59). Bei ihrer Suche nach Alternativen stieß die Gruppe ziemlich schnell auf den Dialdehyd Glyoxal, den Zellfärber und Fluoreszenz-Mikroskopierer bislang konsequent ignoriert hatten. Rizzolis Mitarbeiter fanden ein einziges Paper aus den siebziger Jahren, bei dem Glyoxal für Immunfluoreszenz-Färbungen eingesetzt wurde. Dazu kam noch ein versprengtes Häuflein Histologen, das Anfang des neuen Milleniums ebenfalls mit Glyoxal als Fixierlösung experimentierte.

Die meisten Wissenschaftler hätten nach dieser nicht gerade ermutigenden Literaturrecherche vermutlich die Finger davon gelassen, ausgerechnet Glyoxal als neue Fixierlösung auszuprobieren. Nicht so Rizzoli. Sein Team präparierte eine dreiprozentige Glyoxal-Lösung in Wasser, Ethanol sowie einem Schuss Essigsäure und untersuchte zunächst, bei welchem pH-Wert die Fixierlösung optimal funktionierte. Nach den Angaben der Gruppe war dies bei pH-Werten zwischen 4 und 5 der Fall. Zudem waren 10 bis 20 Prozent Ethanol in der Lösung nötig, um die Morphologie der fixierten Zellen zu erhalten. Fehlte der Alkohol oder war der pH-Wert zu hoch, änderte sich die Zellstruktur durch die Fixierung.

Mit der optimierten Glyoxal-Lösung blieb die Morphologie der Zellen dagegen genauso gut erhalten, wie bei einer parallel durchgeführten Formaldehyd-Fixierung. Glyoxal drang im Vergleich zu Formaldehyd aber schneller über die Membranen in die Zellen ein. Die Zellstrukturen wurden hierdurch augenblicklich fixiert, wodurch den Zellen so gut wie keine Zeit für morphologische Veränderungen blieb. Darüber hinaus führte Glyoxal auch zu einer schnelleren und vor allem stärkeren Vernetzung von Proteinen.

Nach diesen Vorversuchen war es Zeit, Glyoxal in praxisnahen Immunfärbe-Experimenten auszuprobieren. Das Team exprimierte hierzu fluoreszierende Reporter-Proteine für verschiedene Zellkompartimente, fixierte die Zellen mit Glyoxal oder Formaldehyd und führte anschließend eine Immunfärbung durch. Auch hier überzeugte die Glyoxal-Fixierung und lieferte stärkere ­Fluoreszenzsignale. Abschließend testeten Rizzolis Mitarbeiter die Eignung der Glyoxal-Fixierung für die ­STED-Mikroskopie. Dazu fixierten sie Nervenzellen in Glyoxal oder Formaldehyd, inkubierten die Proben mit verschiedenen Primär-Antikörpern und gaben nach einem obligatorischen Waschschritt einen entsprechenden Sekundär-Antikörper zu. Anschließend untersuchten die Forscher die Proben mit dem STED-Mikroskop. Das Ergebnis sprach auch hier für die Glyoxal-Fixierung. Sie führte nicht nur zu stärkeren Signalen sondern auch zu einer etwas klareren Auflösung der Organellen.

Auf Herz und Nieren getestet

Rizzoli war inzwischen von der Glyoxal-Fixierung überzeugt und trommelte elf weitere Arbeitsgruppen zusammen, die die neue Fixierlösung in allen erdenklichen Anwendungen testen sollten. Einen großen Teil der Wissenschaftler rekrutierte er in Göttingen, darunter Stefan Hells Gruppe, die Glyoxal bei Experimenten mit dem 3D-STED-Mikroskop untersuchte. An dem groß angelegten Glyoxal-Test nahmen aber auch internationale Gruppen teil, etwa das Team des Experten für synthetische Biologie Edward Boyden vom Massachusetts Institute of Technology oder Rory Duncans Gruppe vom Edingburgher Super-Resolution Imaging Consortium.

Alle kamen zum gleichen Schluss: Die Glyoxal-Fixierung lieferte in den meisten Fällen bessere Resultate bei Immunfärbungen als die Formaldehyd-Fixierung. Etwas schlechter schnitt sie nur bei Immunfärbe-Experimenten von Mitochondrien ab. Es gibt also endlich eine echte Alternative zur Formaldehyd-Fixierung, die deutlich weniger gesundheitsschädlich ist und darüber hinaus zu besseren Färberergebnissen führt.

Harald Zähringer



Letzte Änderungen: 04.02.2018