Editorial

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Zitationsvergleich 2000 bis 2002: Immunologie
von Ralf Neumann, Laborjournal 01/2005


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Beeindruckend, wie oft immunologische Publikationen zitiert werden. Die entsprechenden Veröffentlichungen der Jahre 2000-2002 lieferten die bisher höchsten Zitierraten einer biomedizinischen Disziplin überhaupt.

Zum Beispiel das mit Abstand meistzitierte immunologische Paper der Jahre 2000-2002 mit Beteiligung aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz: Über 1000mal zitiert innerhalb von vier Jahren seit Erscheinen - das schaffte bisher noch kein Paper aus der gesamten Biomedizin. Dass selbst das Paper auf Platz zehn der meistzitierten Artikel bereits über zweihundertmal in den Referenzlisten nachfolgender Publikationen auftauchte - auch das gab es noch in keiner Disziplin.

Bleiben wir aber noch kurz beim Paper Nummer eins, denn derart oft zitiert kann es nur ein Thema transportieren, das gerade "heiß" ist in der Immunologie: Um einen sogenannten "Toll-like Receptor" geht es, sowie dessen Rolle im angeborenen Immunsystem. Und tatsächlich erlebt letzteres gerade einen ungeheueren Forschungsschub, nachdem es lange Zeit kaum wahrgenommen wurde, im übermächtigen Schatten des gut studierten erworbenen Immunsystems. (siehe LJ 06/2004, S. 38). Folgerichtig finden sich noch mehr Artikel zu diesem Gebiet unter den Top Ten - etwa das Düsseldorfer Paper der Gruppe um Hubert Kolb auf Platz drei, oder der Artikel des Münchner Teams um Hermann Wagner auf Platz 5.

Erfolgreicher "Brain Gain"

Apropos Hermann Wagner: Dieser ist einziger deutscher Ko-Autor auf dem an sich japanischen Top-Paper unserer Liste. Allerdings sind auch die Artikel seiner eigenen Gruppe sehr gut zitiert, so dass am Ende all seine Publikationen der Jahre 2000-2002 bis heute knapp 3000mal zitiert wurden. Ein absoluter Spitzenwert - der aber dennoch "nur" für Platz 2 der meistzitierten Köpfe reichte.

Knapp hundert Zitierungen mehr erhielten die Arbeiten des Neu-Wieners Josef Penninger. Im Jahr 2002 wurde dieser Direktor des Forschungsinstituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) am Wiener Biozentrum, welches die Österreichische Akademie der Wissenschaften damals frisch eingerichtet hatte. Bis dahin arbeitete er als "Principal Investigator" beim Biotech-Riesen Amgen in Toronto, wie auch an der dortigen Universität im Department of Immunology. Mit einer für unseren Vergleich etwas unangenehmen Konsequenz: Die über 3000 Zitierungen, mit denen Penninger den Spitzenplatz belegt, beziehen sich wegen dieses Hintergrunds natürlich komplett auf Arbeiten, die Penninger mit seinem Team in Toronto durchführte. Dennoch müssen wir ihn aufgrund unserer Wertungskriterien in die Liste aufnehmen.

Starke Stempel

Doch bevor wir noch tiefer ins Detail gehen, fragen wir uns lieber, warum immunologische Arbeiten derart gut zitiert werden. Ist die Immunologie in deutschsprachigen Landen einfach so gut? Sicher, man braucht nur an Namen zu denken wie Klaus Rajewsky, Peter Krammer, Hans Georg Rammensee, Georges Köhler und Rolf Zinkernagel, oder an Institute wie das Basel Institute for Immunology.

Es gibt aber noch mindestens einen weiteren Grund: Die Immunologie ist herausgekommen aus ihrer ureigenen disziplinären Nische. Da werkeln schon lange nicht mehr nur ein paar angefressene Zell- und Molekularbiologen an den komplizierten Wechselwirkungen der unzähligen Komponenten des Immunsystems. Nein, die Immunologie hat inzwischen vielen anderen Fächern kräftige Stempel aufgedrückt. Dies drückt sich unter anderem in einer ganzen Handvoll "Crossover-Namen" aus: Tumorimmunologie, Neuroimmunologie, Infektionsimmunologie etwa. Oder in anderem Zusammenhang: Immundiagnostik, Immuntherapie,...

Diese Quernetzung mit vielen weiteren Fächern hat in der letzten Zeit natürlich dazu geführt, dass immunologische Veröffentlichungen auf ein breiteres Interesse stoßen - und damit zugleich auch auf ein größeres Zitationspotenzial. Immunologische Arbeiten werden heute nicht mehr nur von Immunologem zitiert, sondern je nach Thema auch von Onkologen, Virologen, Klinischen Medizinern, Reproduktionsbiologen, und so weiter.

Auch in den Immunologie-Journals lässt sich diese Entwicklung beobachten. Unter den Artikeln, beispielsweise des Journal of Immunology, findet man Dutzende Adressen der verschiedensten Institute. Und so mancher Hautarzt veröffentlicht inzwischen mehr in immunologischen als in dermatologischen Zeitschriften.

Apropos Hautärzte: Die Tumorimmunologie und Immuntherapie des malignen Melanoms scheint auch an deutschen Hautkliniken ein großes Thema - und eines, das gut zitiert wird. Gleich vier nominelle Dermatologen platzierten sich auf diese Weise unter den Top 15 der meistziterten Köpfe - Gerold Schuler aus Erlangen (3.), Eva Bröcker aus Würzburg (6.), Jürgen Knop aus Mainz (9.) sowie dessen Ex-Mitarbeiter und heutiger Heidelberger Alexander Enk (13.). Zumindest an der Spitze bilden sie somit die stärkste Fraktion an "Nicht-Immunologen".


Reingedrängt und rausgeschoben

Die Kehrseite dieser Entwicklung ist natürlich, dass sehr viele Forscher in den Immunologie-Vergleich hineindrängen - und viele Ur-Immunologen herausschieben. In noch keinem anderen Zitationsvergleich reichten 550 Zitierungen nicht um unter die Top 50 zu kommen. Leidtragende sind eine Reihe durchaus anerkannter und aktiver Immunologen - wie etwa die Freiburger Thomas Böhm und Michael Speth, die Heidelberger Volker Schirmacher und Günther Hämmerling, der Berliner Richard Kroczek. Sie schafften diese Hürde nicht, sind aber zweifelsohne sehr gute Immunologen.








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Letzte Änderungen: 01.03.2005