Editorial

Helicobacter, Hepatitis und Co.

Zitationsvergleich 1997 bis 1999: Gastroenterologie und Hepatologie
von Ralf Neumann, Laborjournal 7-8/2002


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Verdauungsorgane und ihre Erkrankungen erforschen nicht nur Kliniker. Die aber publizieren weitaus mehr als ihre nicht-klinischen Kollegen.

Gastroenterologie und Hepatologie sind klinische Disziplinen, klar. Das bedeutet aber nicht, dass Forscher, die ihre Künste Leber, Magen, Darm, Galle oder Bauchspeicheldrüse widmen, nur an klinischen Instituten anzutreffen sind.

Nehmen wir die Leber. Diese ist unter anderem bevorzugter Zielort von Hepatitis-Viren, wie man weiß. Und schon - ganz klar - hat man auch die entsprechenden Virologen zu berücksichtigen. Fünf davon schafften es mit ihren Arbeiten der Jahre 1997 bis 99 unter die fünfzig meistzitierten Spezialisten für Verdauungsorgane: der Hamburger Hans Will (23.); Michael Roggendorf (27.), Leiter des Hepatitis C-Referenzzentrums am Uniklinikum Essen; die drei Hepatitis G-Experten Georg Hess (33.), Beatus Ofenloch-Hähnle (43.) und Michael Tacke (45.) vom damaligen Böhringer Mannheim-Forschungszentrum Penzberg; sowie der frischgebackene Heidelberger Stiftungsprofessor für Molekulare Virologie, Ralf Bartenschläger (38.)

Darüber hinaus besteht am Institut für Klinische Pharmakologie des Universitätsspital Zürich ausgesprochenes Interesse an der Galle und ihren Säften. Gleich drei der dort ansässigen Forscher publizieren darüber derart erfolgreich, dass auch sie sich zwischen die Kliniker schieben konnten: Peter J. Meier, der Leiter des Instituts (12.) samt seinen Mitarbeitern Bruno Stieger (20.) und Bruno Hagenbuch (26.).

Auch einige Biochemiker interessieren sich natürlich für das zentrale Stoffwechselorgan unseres Körpers, die Leber. Doch von diesen konnten sich nur zwei unter die Top 50 schieben: Die beiden Heidelberger DKFZ-Forscher Dieter Keppler (15.) und sein Mitarbeiter Jörg König (36.), deren Interesse vor allem der Wirkungsweise von Multi drug resistence-Proteinen sowie den Transportproteinen der Leber gilt.

Und dann sind da noch die Pathologen. Auch von diesen schafften es zwei unter die meistzitierten 50, aber nur weil wir diejenigen Tumorspezialisten unter ihnen, die zuweilen ihre Schwerpunkte auf Leberkrebs oder Bauchspeichelkarzinom setzen, außen vor ließen. Durch das Raster fielen dann lediglich noch der Hepato-Pathologe Hans-Peter Dienes (39.) aus Köln, sowie der Bayreuther Gastro-Pathologe Manfred Stolte.


Klinikdirektoren unter sich

Letzterer fiel allerdings gleich bis auf den Spitzenplatz. Das Magenpathogen Helicobacter pylori, eines seiner Hauptobjekte, ist zurzeit einfach en vogue in der Medizin – und wer da was Gutes publizieren kann, darf mit vielen Zitierungen rechnen. Stolte hat dabei unter anderem den Vorteil, einem offenbar gut funktionierenden Netzwerk anzugehören, dessen Kooperations-Paper von der Fachwelt überdurchschnittlich beachtet werden. Siehe etwa Paper Nummer 5 in der Liste der meistzitierten Artikel (S. 38)

Auch andere deutsche Helicobacter-Spezialisten profitieren offensichtlich von dieser gut geschmierten Kooperation: der Magdeburger Eckehard Bayerdörffer (8.) etwa, die beiden Essener Joachim Labenz (16.) und Gereon Börsch (29.), wie auch der Münchner Alexander Meining (21.)

Womit wir endgültig bei den Klinikern angekommen wären. Deren Meistzitierter, Stefan Zeuzem, während des Analysezeitraums noch in Frankfurt, verdankt seine beiden "Zitations-Blockbuster" ebenfalls der Mitwirkung an großen klinischen Kooperationsstudien. Die Behandlung von chronischer Hepatitis C mit verschiedenen Kombinationen von Interferon alpha 2b und dem Medikament Ribivarin brachte dem Forscherkonsortium gleich zwei Veröffentlichungen in den Mediziner-Edelblättern Lancet und New England Journal of Medicine. Stefan Zeuzem stand beide Male mittendrin und landete auf diese Weise mit 557 bzw. 427 Zitierungen bis Mitte Juni 2002 die beiden weitaus meistzitierten Artikel dieser Disziplin mit Beteiligung aus dem deutschen Sprachraum. Lohn nicht zuletzt dieses Erfolges ist die Berufung Zeuzems als Ärztlicher Direktor an das Universitätsklinikum Homburg/Saar zum 1. Juli.

Womit Zeuzem dann in der Liste unter Seinesgleichen wäre: Auf den Plätzen 3 -10 folgen allesamt Direktoren Medizinischer Universitätsliniken; Karl-H. Meyer zum Büschenfelde auf Platz 6 befindet sich allerdings inzwischen im Ruhestand.

Die letzten Worte beim Blick auf den Publikationsvergleich sollen indes einem nicht ganz unheiklen Thema gehören: Schön hat man hier klinische und nicht-klinische Forscher nebeneinander, die sich zwar mit unterschiedlichen Methoden und Konzepten, wie auch mit anderem Fokus letztlich aber doch denselben Organen widmen. Doch welch ein Unterschied in der Publizierfreudigkeit. Spitzenvirologen und Instituschefs wie Will und Roggendorf schaffen gerade 34 bzw. 33 Originalartikel in drei Jahren, Spitzen-Kliniker wie der Hannoveraner Michael Manns (3.) oder der Ulmer Guido Adler (4.) im gleichen Zeitraum über hundert. Und die Reviews sind dabei herausgerechnet; nimmt man die hinzu, listet der Science Citation Index für Michael Manns beispielsweise 153 Artikel für die drei Jahre auf. Das macht alle sieben Tage einen Artikel, Wochenenden inklusive.

Klinische Netzwerke hin, andere Forschungskultur her – kann das gehen, wenn man etwa die DFG-Kriterien zur Autorenschaft ernst nimmt? Wer kann uns plausibel beschreiben, wie das möglich ist? Wir drucken es, versprochen.





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Letzte Änderungen: 08.09.2004