Starke Alpenländer

Zitationsvergleich 1997 bis 1999: Pathologie
von Ralf Neumann, Laborjournal 4/2002


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Ungewohnt stark vertreten sind Forscher aus der Schweiz und Österreich unter den meistzitierten Pathologen. Möglicherweise eine Folge besonders großer Abteilungen für Pathologie an deren Universitäten.

Seit Rudolf Virchow hat die Pathologie eine große Tradition in Deutschland. Doch mit Traditionen alleine kann man sich in der Regel nicht viel kaufen auf dem Markt der Zitierungen. Zumindest in den letzten Jahren haben den deutschen Pathologen ihre Kollegen aus der Schweiz und Österreich relativ den Rang abgelaufen.

13 Schweizer und 10 Österreicher Pathologen finden sich unter den 50 Forschern, deren Publikationen aus den Jahren 1997-99 bis heute am häufigsten zitiert werden. Einen solch hohen Anteil im Vergleich zu den deutschen Fachkollegen gab es in noch keiner anderen Disziplin.

Und sie stehen nicht einfach irgendwo mittendrin. Nein, alleine sechs Schweizer Forscher, die im besagten Veröffentlichungszeitraum zumindest teilweise an den pathologischen Abteilungen der Unis in Zürich und Basel arbeiteten, tummeln sich unter den zehn Meistzitierten. Zwei weitere kommen im nächsten Zehnerpack bis Platz 20 dazu, sowie fünf Österreicher aus den pathologischen Abteilungen der Unis Wien und Innsbruck. Anders herum zusammen gefasst: Unter die ersten Zwanzig schafften es gerade einmal sechs Forscher aus der deutschen Pathologie.

Deren Bester, der Helicobacter-Spezialist Manfred Stolte vom Klinikum Bayreuth, rangiert zwar immerhin auf Platz 2. Die meisten seiner vielen Publikationen zwischen 1997 und 99 ziert er jedoch als Ko-Autor von Studien, die unter der Federführung gastroenterolgischer Klinik-Forscher entstanden - darunter sämtliche seiner gut zitierten Artikel (siehe etwa Platz 5 in der Tabelle "Die meistzitierten Artikel").

Auf ähnliche Weise profitierte das Ehepaar KlaraTenner-Racz und Paul Racz von der Abteilung Pathologie des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin bei ihren meistzitierten Artikeln vor allem von der Zusammenarbeit mitinternationalen Größen der AIDS-Forschung, wie etwa David Ho, oder der Infektionsimmunologie, wie Ralph Steinman.


Einsame Koautoren

Überhaupt lässt sich sagen, dass Pathologen offenbar beliebte Kooperationspartner sind. Beim Blick auf die Tabelle dermeistzitiertenArtikelder J ahre 1997-99 mit Beteiligung von Pathologen aus Deutschland, Schweiz oder Österreich fällt nämlich unmittelbar folgendes ins Auge: Die fünf meistzitierten Paper sind allesamt Veröffentlichungen von Forschern anderer Disziplinen, unter deren Autorenliste sich jeweils gerade mal ein Pathologe "eingeschlichen" hat. Der Basler Guido Sauter im meistzitierten Paper, der Innsbrucker Stephan Geley im nächsten, der Jenaer Rolf Bräuer im dritten, sowie der Heidelberger Walter J. Hofmann und der bereits erwähnte Manfred Stolte in den Publikationen auf den Plätzen 4 und 5. Erst auf Platz 6 kommt ein Paper, das tatsächlich aus einem pathologischen Institut kommt - veröffentlicht von den Regensburgern um Josef Rüschoff in Cancer Research.

Apropos Cancer Research: Die Tumorforschung ist neben der Infektionsimmunologie offensichtlich das Thema, mit dem auch Pathologen zu den meisten Zitierungen kommen. Unter den ersten Zehn belegen neben dem "Gastro-Pathologen" Manfred Stolte insgesamt vier "Krebs-Pathologen" und fünf Pathologen mit immunologischer oder infektionsbiologischer Ausrichtung die Plätze.


Tumor- und Immunopathologen

Zu letzteren wiederum gehört auch der meistzitierte Pathologe des untersuchten Zeitraums, der zugleich auch sicherlich deren bekanntester ist: Rolf Zinkernagel, der Nobelpreisträger des Jahres 1996. Sicherlich ist dieser den meisten vor allem als Immunologe bekannt, schließlich bekam er den Nobelpreis für die Entdeckung des Major Histocompatibilty Complex (MHC) als Grundlage für die Unterscheidung des Immunsystems zwischen Eigen und Fremd. Allerdings ist "sein" Institut für Experimentelle Immunologie in der Abteilung Pathologie der Universität angesiedelt. Und dass die Pathologie nicht einfach nur an Zinkernagels Türschild steht, zeigt die Tatsache, dass er in letzter Zeit mit seinen Leuten verstärkt an infektionsimmunologischen Projekten arbeitet - die Abwehr von Virusinfektionen etwa, bis hin zu Prionenkrankheiten. Zudem ist er - neben der Schweizerischen Gesellschaft für Immunologie, klar - bereits seit 1981 Mitglied in der Schweizerischen Gesellschaft für Pathologie.


Breit angelegte Abteilungen

Vielleicht liegt in diesen Verhältnissen auch die Ursache verborgen für das überdurchschnittliche Abschneiden der Schweizer und Österreicher Pathologen im Vergleich mit ihren deutschen Fachkollegen. Es gibt zwar große Institute für Pathologie an deutschen Universitäten - etwa die beiden Berliner Institute unter Manfred Dietel (16.) an der Humboldt-Universität sowie Harald Stein (17.) an der Freien Universität, oder in Würzburg unter Hans-Konrad Müller-Hermelink (10.) - in Zürich, Basel, Wien oder Innsbruck jedoch ist die Pathologie jeweils als ganze Abteilung organisiert, mit mehreren Instituten. Woraus folgt, dass dort mehr Professoren und daher auch mehr Gruppen und mehr Mitarbeiter insgesamt in der Pathologie arbeiten.

Nun sorgt die reine Masse natürlich nicht automatisch für Klasse. Aber solche Verhältnisse machen es doch leichter, auch Spezialisten wie etwa den Immunologen Zinkernagel samt seinen Mitarbeitern in Zürich, oder den Wiener Allergologen Christof Ebner in die Pathologie einzubinden. Ein Konzept, das in Deutschland offenbar bisher nicht in diesem Maße realisiert ist.

Bleibt zum Schluss noch eine Klarstellung: Nicht berücksichtigt für den Vergleich wurden die Neuropathologen. Die arbeiten doch zum großen Teil in eigenen Instituten und Abteilungen und können daher schon als eigene Disziplin gelten. Zudem waren sie ja bereits im Zitationsvergleich "Neurowissenschaften (LJ 12/2002, S. 38) bestens vertreten.


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Letzte Änderungen: 08.09.2004