Editorial

Von sterbenden und aktivierten Zellen

Publikationsvergleich 1997-99: Immunologie
von Ralf Neumann, Laborjournal 1/2001


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Statt Punkte für die Journals zu vergeben, in denen Forscher publizieren (LJ 8/97 bis 11/00), zählen wir ab jetzt, wie oft deren Arbeiten zitiert werden. Die Datenbank Web of Science“ macht´s möglich. Wir starten mit den Immunologen, andere Disziplinen werden folgen.


"Immer nur Zweiter", klagte Peter Krammer, Leiter der Abteilung Immungenetik am Heidelberger DKFZ, als Laborjournal ihn 1998 über seinen zweiten Platz im damaligen Publikationsvergleich informierte. Kurz zuvor hatte gerade das US-Magazin Science Watch bekannt gegeben, dass ein 96er Cell-Paper, welches seine Gruppe zusammen mit US-Forschern über ein Protein der Apoptose-Signalkette publizierte, die weltweit am zweitmeisten zitierte Veröffentlichung des Jahres 1997 war. Und in jungen Jahren war Krammer mehrfach deutscher Vizemeister im Kugelstoßen.

Jetzt ist er Erster. Und zwar deutlich. Sein Name erschien auf den beiden meistzitierten immunologischen Papers, die zwischen 1997 und 99 aus deutschen und Schweizer Labors kamen. Und mit insgesamt knapp 2.200 Zitierungen all seiner Originalartikel aus diesen Jahren (Stand 17.01.2001) brachte er es schließlich zum meistzitierten Immunologen dieser beiden Nationen.

Nun sind bekanntlich die Leiter von Forschungsabteilungen fast nichts ohne ihre Gruppen. Und so wundert kaum, dass noch weitere Mitarbeiter Krammers, die ja gleichsam vielfache Koautoren seiner Artikel sind, ebenfalls weit oben in der Zitationsliste auftauchen: Marcus E. Peter zum Beispiel, der Krammers Gruppe vor gut einem Jahr in Richtung Chicago verließ, auf Platz 3; Carsten Scaffidi, mittlerweile ebenfalls in den USA an den National Institutes of Health (NIH), auf Platz 5; Henning Walczak, der umgekehrt 1997 aus den USA zu Krammers Abteilung kam, auf Platz 19; oder Jan Paul Medema, seit 1998 in den Niederlanden, auf Platz 24.

Aus den anderen drei immunologischen Abteilungen am DKFZ landete indes nur Günther Hämmerling, Leiter der Molekularen Immunologie, als 48ter gerade noch unter den ersten Fünfzig.

Mehr Forscher als das DKFZ - nämlich neun - brachte nur das Basel Institute for Immunology (BII) unter die fünfzig Meistzitierten. Dies ist insbesondere bemerkenswert, da es nach BII-Philosophie dort keine hierarchisch organisierten Gruppen gibt, sondern die Forscher gleichberechtigt und frei miteinander kooperieren. Die Vielzahl der Zitierungen, die auf die Arbeiten der BII-Forscher entfielen, bestätigt somit eindrucksvoll die besondere Produktivität dieser weitgehend einmaligen Forschungskultur. Umso trauriger stimmt es daher, dass der Träger des BII, der Pharmariese Hoffmann-La Roche, bis 2002 dessen Pforten zugunsten eines neuen Roche Centers for Functional Genomics schließen wird (LJ 7/00, S. 6).


Immer wieder Krammer

Von den BII-Forschern heimsten vor allem diejenigen viele Zitierungen ein, die sich mit Dendritischen Zellen und T-Zell-Aktivierung beschäftigen. Allen voran Antonio Lanzavecchia, der seit dem letztem Jahr ein neues biomedizinisches Forschungsinstitut in Bellinzona mit aufbaut: Mit knapp 1.700 Zitierungen seiner Artikel 97 bis 99 landete er zwischen Krammer und Peter auf Platz 2 aller Immunologen. Aber auch Marina Cella (10), Federica Sallusto (12) oder Jean Pieters (36) haben darin ihre Forschungsschwerpunkte.

Die guten Platzierungen dieser Basler Forscher dürften auch Indikator dafür sein, dass T-Zell-Aktivierung und Dendritische Zellen momentan Top-Themen der Immunologie sind. Gleiches gilt für die Krammer-Leute und ihr Thema - die Apoptose. Auf solch vielbeackerten Feldern lassen sich mit guten Ergebnissen natürlich besonders viele Zitierungen ernten. Denn: Wo viele forschen, zitieren auch viele. Dies sei zur vorsichtigen Relativierung der Liste gesagt - sowie zur Ehrenrettung einiger derer, die nicht unter den fünfzig Meistzitierten auftauchen.

Bleibt noch, das starke Abschneiden der Schweizer überhaupt zu würdigen. Acht der ersten Dreizehn stammen aus eidgenössischen Immunologie-Instituten. Zu den neun Baslern unter den ersten Fünfzig kommen noch der Zürcher Nobelpreisträger von 1996, Rolf Zinkernagel, auf Platz 4, sowie sein Partner“ Hans Hengartner auf 8. Und auch am Berner Theodor-Kocher-Institut wird vielzitierte Forschung beschrieben: Drei der dort tätigen Immunologen schafften es unter die besten Fünfzig. Deren bester wiederum, Institutsdirektor und Chemokin-Experte Marco Baggiolini auf Platz 6, ist zugleich Erstautor des meistzitierten immunologischen Reviews der Jahre 1997 bis 99: 580mal wurde sein 97er Chemokin-Update bis zum Januar 2001 zitiert.

Die meisten Zitierungen zwischen Januar 1997 bis Januar 2001 entfielen jedoch auf das eingangs erwähnte 96er Cell-Kooperationspaper von Peter Krammer (Bd. 85, S. 817) - nämlich 1.198 an der Zahl. Auf Platz 2 folgt dann ein absoluter Publikationsklassiker“: Das 75er Nature-Paper von Georges Köhler und Cesar Milstein, das diesen 1984 den Nobelpreis für die Entwicklung monoklonaler Antikörper bescherte (Bd. 256, S. 495), wurde im gleichen Zeitraum - also mehr als zwanzig Jahre später - immer noch 955mal zitiert. Und auch Platz 3 geht mit 573 Zitierungen an einen Klassiker: Das Science-Paper über die Identifizierung des Apotose-Rezeptors APO-1, aus der Gruppe von - wieder einmal - Peter Krammer.


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Letzte Änderungen: 08.09.2004