Editorial

Durchstarten in der Life-Science-Industrie (17)
Die Rolle des Controllings in Unternehmen

Morna Gruber und Michael Merli, Laborjournal 12/2023


(12.12.2023) Dieses Mal geht es in unserer Serie darum, wie Naturwissenschaftler ihre Karrierechancen mit betriebswirtschaftlichem Know-how steigern können.

Wer den Übergang von der reinen Wissenschaft in die Unternehmenswelt wagt, wird schnell mit betriebswirtschaftlichen Themen konfrontiert. Alles Planen und Handeln muss nun den betriebswirtschaftlichen Anforderungen entsprechen, wie zum Beispiel dem Prinzip der Kosteneffizienz. In diesem Artikel erläutern wir die Rolle des Controllings und dessen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Zugleich verdeutlichen wir den Vorteil, den Naturwissenschaftler bei der Entwicklung ihrer Karriere in der Industrie haben, wenn sie betriebswirtschaftliche Grundlagen verstehen und die Bedeutung des Unternehmenscontrollings kennen.

Hinweis: Um die Komplexität des Themas nachvollziehbar abzubilden, haben wir uns entschieden, den Artikel in Form eines fiktiven Interviews zu verfassen.

Interviewer: Beginnen wir gleich mit der für Naturwissenschaftler relevanten Frage: Warum ist ein Verständnis für das Controlling in Unternehmen so wichtig für Wissenschaftler, die ihre Karriere in der Industrie vorantreiben möchten?

Morna: Ein solides Verständnis von Controlling ist für Naturwissenschaftler aus mehreren Gründen unerlässlich. In Unternehmen, insbesondere in forschungs- und entwicklungsintensiven Branchen, ist es wichtig, dass Projekte nicht nur wissenschaftlich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind. Ein naturwissenschaftlich orientierter Beitrag allein reicht also nicht aus; Wissenschaftler müssen in der Lage sein, die ökonomischen Auswirkungen ihrer Arbeit zu verstehen und an verschiedene Zielgruppen vermitteln zu können, wie beispielsweise an Vorgesetzte, Kollegen oder Kunden.

Michael: Hinzu kommt, dass wissenschaftliche Projekte innerhalb eines Unternehmens um Ressourcen konkurrieren. Das bedeutet, dass es innerhalb des Unternehmens nur eine bestimmte Menge an Geld, Personal, Zeit und anderen Ressourcen gibt, die für verschiedene Projekte zur Verfügung steht. Naturwissenschaftler müssen daher in der Lage sein, den Wert ihrer Projekte auch unter ökonomischen Gesichtspunkten richtig einschätzen und den zukünftigen Mehrwert für das Gesamtunternehmen beweisen bzw. kommunizieren zu können, indem sie betriebswirtschaftliche Maßstäbe und Argumente verwenden. Das bedeutet, dass sie argumentieren müssen, wie ihr Projekt finanziell erfolgreich sein kann und wie es zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen wird. Wenn ein Naturwissenschaftler nicht über dieses betriebswirtschaftliche Wissen und die dazugehörige Sprache verfügt und nur rein wissenschaftsbasierte Argumente für seine Projekte anführt, kann es passieren, dass auch vielversprechende Projekte abgelehnt oder nicht ausreichend finanziert werden.

Symbolbild: Bergführer führt Repräsentanten der einzelnen Pharmajobkategorien auf den Berg
Illustr. (2): HOX Life Science

Morna: Außerdem muss man auch in der Lage sein zu sehen, wann es notwendig sein kann, ein Projekt, in das schon viel Geld geflossen ist, trotzdem „einzustampfen“, da es sich abzeichnet, dass es keinen Return-on-Investment liefern wird. Solch eine Entscheidung trifft man selbstverständlich nicht „nach Bauchgefühl“, sondern anhand von Analysen wie Kosten-Nutzen-Rechnungen, Machbarkeitsstudien und Risikobewertungen. Diese Analysen sind Tools aus dem Controlling und der strategischen Unternehmensführung, die man kennen muss.

Michael: Die man vor allem auch kennen muss, wenn man seinen Karriereweg in Leitungspositionen sieht. Als Abteilungsleiter zum Beispiel einer Forschungsabteilung hat man die Verantwortung, Ressourcen effizient einzusetzen und den fachlichen und betriebswirtschaftlichen Erfolg der Abteilung zu gewährleisten. Hier kommen Techniken aus dem strategischen Management und Controlling ins Spiel, da sie helfen, den finanziellen Aspekt der Forschungsprojekte im Einzelnen und der Abteilung als Ganzes zu überwachen und zu optimieren.

Interviewer: Was genau umfasst denn das Controlling im unternehmerischen Kontext?

Michael: Controlling wird oft fälschlicherweise gleichgesetzt mit dem Wort „kontrollieren“, in dem Sinne, dass es nur um die Überprüfung bereits erfolgter Handlungen oder gelieferter Ergebnisse geht. Kontrolle ist retrospektiv, aber Controlling ist viel umfassender und zukunftsorientiert. Es ist eine Managementfunktion, die für die operative und strategische Steuerung von Unternehmen unerlässlich ist. Es bietet Werkzeuge und Kennzahlen für Planung, Steuerung und Kontrolle im unternehmerischen Handeln. Controller unterstützen dabei, dass Unternehmensziele definiert, die Zielerreichung gemessen und bei Bedarf Maßnahmen zur Korrektur eingeleitet werden. Dabei spielt auch das Erkennen von Fehlentwicklungen und Risikomanagement eine große Rolle.

Morna: Außerdem gibt es noch einen Aspekt, der Naturwissenschaftlern besonders gefallen dürfte: Controlling schafft Transparenz und Objektivität in der Entscheidungsfindung durch systematische Datenerhebung und -analyse, was ganz im Sinne der naturwissenschaftlichen Arbeitsweise ist. Deshalb schätze ich die Rolle der Controller sehr, da sie betonen, dass Entscheidungen evidenzbasiert sein sollten und ermöglichen, dass Entscheidungsfindungsprozesse auf der Grundlage harter Daten und Fakten und nicht bloßer Spekulationen fußen. Dennoch möchte ich hervorheben, dass auch das Bauchgefühl – welches ich eher in einen kontextsensitiven Begriff wie „intuitive Erfahrung“ umbenennen will – seinen Stellenwert hat. Dieses kann vor allem dann von Nutzen sein, wenn es darum geht, Entscheidungen unter Ungewissheit zu treffen oder nicht quantifizierbare Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere wenn personenbezogene oder kulturelle Aspekte eine Rolle spielen, die sich einer rein dataistischen Erfassung entziehen. Ein klassischer Spruch ist: „Echte“ Manager und Managerinnen müssen – wenn nötig – in der Lage und mutig genug sein, Entscheidungen unter Zeitdruck und unzureichender Faktenlage zu treffen und dafür dann auch die Verantwortung zu übernehmen.

Interviewer: Michael, Du hast gesagt, dass das Controlling bei der strategischen und operativen Steuerung des Unternehmens unterstützt. Könntest Du das etwas mehr im Detail erklären?

Michael: Ich würde gerne eine Metapher verwenden, um die vielfältigen Aufgaben und verschiedenen Aspekte des Unternehmenscontrollings zu erläutern. Ich möchte gerne das Controlling als eine Art Navigator bzw. als das GPS-System des Unternehmens beschreiben, da ich anhand dieses Bildes alle Verantwortungsbereiche des Controllings sehr gut erläutern kann:

  • Wegweisung und Richtungsorientierung: So wie ein GPS-System die optimale Route von einem Startpunkt zu einem Ziel ortet und vorschlägt, hilft das Controlling dem Management, den richtigen Weg zu unternehmerischen Zielen zu finden. Es gibt einen Überblick über verfügbare Pfade und unterstützt mit Daten und Analysen bei strategischen Entscheidungsprozessen, die die Zukunftssicherung des Unternehmens betreffen.
  • Standortbestimmung: Ein GPS ermittelt die aktuelle Position. Ähnlich bestimmt das Controlling durch Analysen und Berichte die aktuelle finanzielle und operative Situation des Unternehmens. Es erfasst Kennzahlen und Leistungsindikatoren, die zeigen, wo sich das Unternehmen gerade befindet.
  • Kontinuierliche Anpassung: Wenn eine Wandergruppe vom Kurs abweicht, berechnet das GPS eine neue Route. Ebenso identifiziert das Controlling Abweichungen zwischen den Plänen und der Realität und schlägt Anpassungsmaßnahmen vor, um auf Kurs zu bleiben oder um zurück auf die Route zum Ziel zu gelangen.
  • Vorhersage und Warnsystem: Ein GPS warnt vor Wegsperrungen, Baustellen oder gibt Unwetterwarnungen. Controlling kann potenzielle Risiken und Chancen erkennen und vor finanziellen Engpässen, ineffizienten Prozessen und anderen Hindernissen warnen, die die Zielerreichung gefährden könnten.
  • Effizienz und Optimierung: GPS-Systeme bieten oft die schnellste oder wirtschaftlichste Route an. Analog hierzu optimiert das Controlling interne Abläufe, identifiziert Sparpotenziale sowie Möglichkeiten zur Steigerung der Rentabilität und trägt zur Effizienzsteigerung im Unternehmen bei.
  • Datengestützte Entscheidungen: Ein GPS arbeitet auf der Grundlage von Daten und Algorithmen. Entsprechend basiert das Controlling auf einer systematischen Datensammlung, -verarbeitung und -analyse, um fundierte Entscheidungen zu treffen und die Unternehmenssteuerung faktenbasiert zu unterstützen.

Interviewer: Die GPS-Metapher zeigt gut, dass Controlling in alle Unternehmensbereiche hineinspielt. Könntet ihr zum besseren Verständnis den Unterschied zwischen strategischem und operativem Controlling noch etwas genauer erläutern?

Morna: Es gibt zwei Hauptunterschiede zwischen strategischem und operativem Controlling:

  • Der Zeithorizont
    a) Strategisches Controlling hat einen langfristigen Zeithorizont und blickt drei bis fünf Jahre oder länger in die Zukunft. Es geht um die langfristige Ausrichtung und Positionierung des Unternehmens.
    b) Operatives Controlling ist kurzfristig ausgerichtet, meist auf das laufende Geschäftsjahr mit Ausblick auf das kommende Geschäftsjahr. Es optimiert und überwacht die Umsetzung der strategischen Vorgaben im Tagesgeschäft und passt bei Abweichungen oder kurzfristig auftretenden Risiken die Maßnahmen an.
  • Die Inhalte
    a) Strategisches Controlling beschäftigt sich mit unternehmensweiten, übergeordneten Themen wie Formulierung der Unternehmensstrategie, Festlegung langfristiger Ziele und Identifizierung strategischer Erfolgsfaktoren.
    b) Operatives Controlling umfasst die konkrete Steuerung des Tagesgeschäfts wie Planung und Budgetierung, Soll-Ist-Vergleiche (z. B. Umsatz, Kosten), Kontrolle der Abweichungen sowie Ergebnis- und Rentabilitätsanalysen.

Graphische Illustration der Aufgaben eines Controllers
Illustr.: Hox Life Science

Interviewer: Ich habe den Eindruck, dass die Aufgaben des Controllings sehr umfassend sind und viele Aspekte von Analyse, Entscheidungsfindung, Steuerung, Überwachung und Anpassung abdecken. Das klingt fast so, als ob die Geschäftsführung und die Abteilungsleitungen nur Marionetten des Controllings sind.

Michael: Controlling ist integraler Bestandteil des Managements, aber keine übergeordnete Instanz. Es bildet vielmehr das Rückgrat der Informationsversorgung, auf dessen Grundlage die Unternehmensführung und die Führungsebenen informierte und strategisch fundierte Entscheidungen treffen können. Controller agieren als interne Berater für das Management, jedoch ohne das Unternehmen zu lenken. Die volle Verantwortung für die Leitung und Ausrichtung des Unternehmens liegt bei der Geschäftsführung, die beim Verfolgen der konkreten Ziele von den Führungskräften unterstützt wird. Die Geschäftsführung und das Management sind also keineswegs „Marionetten“ des Controllings, sondern das Controlling ist ein Werkzeug, um informierte Entscheidungen zu treffen und die Unternehmensziele erfolgreich umzusetzen.

Interviewer: Könntet ihr mal konkrete Beispiele für die Art von Daten und Analysen geben, die das strategische Controlling erzeugt, sowie für die Kennzahlen und Leistungsindikatoren, die das operative Controlling erfasst?

Morna: Beim strategischen Controlling könnten wir beispielsweise über Szenarioanalysen sprechen, die planmäßige und auch überraschende Veränderungen in der Umwelt des Unternehmens simulierten und die möglichen Auswirkungen auf das Unternehmen untersuchen. Ein konkretes Beispiel wäre die Prognose der Marktentwicklung oder der technologischen Fortschritte und wie sich diese Änderungen auf das Unternehmen auswirken könnten. Hier würde das Controlling eng mit Marketing & Produktmanagement und vielleicht sogar mit der F&E-Abteilung zusammenarbeiten, da diese Abteilungen eine große Fachexpertise und Marktkenntnis besitzen und sowohl Daten und Fakten als auch ihre Interpretation derselben mit einbringen können.

Ein weiteres Beispiel im strategischen Controlling sind Investitionsbewertungen. Im Rahmen von sogenannten Business Cases werden Realisierbarkeit und Rentabilität eines bestimmten Projekts oder einer Investition bewertet. Zentrale Werkzeuge sind dabei die Kosten-Nutzen-Analyse, die Risikoanalyse und Berechnungen wie die Kapitalwertmethode oder die interne Zinsfußmethode, um die langfristige Rentabilität von Investitionsprojekten zu analysieren.

Die sogenannte SWOT-Analyse ist ein wichtiges Werkzeug für Unternehmen, um seine Anpassungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in sehr dynamischen und sich schnell ändernden Märkten sicherzustellen. Sie dient einer systematischen Analyse der internen Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) eines Unternehmens sowie der externen Chancen (Opportunities) und Gefahren (Threats), die sich aus dem Unternehmensumfeld ergeben. Das strategische Controlling erstellt die SWOT-Analyse zwar nicht alleine, denn es benötigt auch Informationen aus den verschiedene Fachabteilungen (vor allem Marketing & Produktmanagement, Sales und F&E), aber das Controlling integriert die Daten und unterstützt bei der Auswertung und Interpretation.

Beim operativen Controlling nehmen Finanzkennzahlen einen zentralen Stellenwert ein, da sie das wirtschaftliche Sinnesorgan eines Unternehmens darstellen. So bilden Umsatz, Kosten und Gewinn das Fundament, auf dem Unternehmen ihre finanzielle Gesundheit aufbauen und messen. Weitere Schlüsselindikatoren für die finanzielle Stabilität und Flexibilität sind Kennzahlen zur Liquidität (wie Cashflow und Working Capital), die Aufschluss darüber liefern, wie flüssig ein Unternehmen ist und wie effektiv es seine kurzfristigen Verbindlichkeiten bedienen kann. Die Rentabilitätskennzahlen, wie der Return on Investment (ROI), Eigenkapital- und Gesamtkapitalrendite geben hingegen Auskunft darüber, wie profitabel das eingesetzte Kapital verwendet wird. Zusätzlich geben Produktivitätskennzahlen, wie der Output pro Arbeitsstunde, Auskunft über die Effizienz, mit der Ressourcen in Ergebnisse umgewandelt werden.

Um eine ganzheitliche Perspektive des Unternehmenserfolgs aufzuzeigen, sind Operational-Performance-Indikatoren unverzichtbar. Durchlaufzeiten zeigen auf, wie schnell Produkte oder Dienstleistungen durch die Produktions- oder Erbringungsprozesse gehen, und sind daher kritische Maße für die Effizienz. Fertigungsqualität gewährleistet, dass die Endprodukte den Anforderungen der Kunden entsprechen und somit eine hohe Kundenzufriedenheit sichergestellt ist, während die Auslastung der Betriebsmittel sowie Effizienz der Prozesse essenziell für das Verständnis der Leistungsfähigkeit und Kosteneffizienz sind.

Ein weiteres Instrument des Controllings stellt der Budget-versus-Ist-Vergleich dar, welcher eine fortlaufende Überwachung und Analyse ermöglicht. Hierbei werden die geplanten Budgetvorgaben den tatsächlich erreichten Werten gegenübergestellt, um Abweichungen frühzeitig zu identifizieren. Dies bietet einen unmittelbaren Einblick, ob die finanziellen und operativen Ziele des Unternehmens erreicht werden, oder ob korrigierende Maßnahmen erforderlich sind. Solche Vergleiche sind fundamentale Werkzeuge für ein effektives Leistungsmanagement und unerlässlich für die Anpassung an dynamische Marktbedingungen und die Sicherstellung eines kontinuierlichen Unternehmenserfolges.

Interviewer: Aber wer ermittelt die Werte und wie stellt man sicher, dass es sich um realistische und erreichbare Werte für die verschiedenen Sollwerte und Kennzahlen handelt?

Michael: Die Festlegung von Sollwerten und Kennzahlen geschieht sehr häufig in einem iterativen Abstimmungsprozess zwischen der Geschäftsführung, dem Management der einzelnen Abteilungen und dem Controlling. Häufig werden die Werte für das nächste Jahr im vierten Quartal des laufenden Jahres bestimmt.

An einem konkreten Beispiel ist das leichter zu verstehen: Als Sollwert betrachten wir den Umsatz. Beim Umsatz handelt es sich (neben dem Gewinn bzw. der Gewinnmarge) um den wichtigsten Sollwert in einem Unternehmen. Ein ausreichend großer Umsatz und die daraus erzielten Gewinne ist notwendig, um alle Kosten für Rohstoffe, Gehälter, Produktion, Vertrieb, Marketing, Forschung & Entwicklung zu decken. Des Weiteren bedeutet mehr Umsatz (wenn er mit einer höheren Gewinnmarge einhergeht) in der Regel auch einen größeren finanziellen Spielraum, um Investitionen zu tätigen, was wiederum sicherstellt, dass das Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich am Markt bestehen kann. Die Erstellung einer Umsatzprognose (Forecast) ist in der Regel ein koordinierter Prozess, an dem mehrere Bereiche des Unternehmens beteiligt sind. Im Detail kann der Prozess je nach Unternehmen variieren, aber im Großen und Ganzen sieht der Ablauf in den meisten Unternehmen folgendermaßen aus:

  • Vertrieb: Häufig bildet die Vertriebsabteilung den Ausgangspunkt für die Umsatzprognose. Die Mitarbeiter in dieser Rolle stehen in der Regel in direktem Kontakt mit den Kunden, sind sich der aktuellen Trends, der Nachfrage und der Kundenbedürfnisse bewusst und können auf Basis von aktuellen Verkaufszahlen, Kundenfeedback bezüglich Kaufabsichten für das kommende Jahr und allgemeinen Markttrends eine Umsatzprognose erstellen. Die Vertriebsleitung verfügt oft über eine fundierte Basis für ihre Prognosen, da sie ihre Kunden und das direkte Marktumfeld sehr gut kennt. Allerdings neigt die Vertriebsleitung gelegentlich dazu, etwas konservativere Prognosen abzugeben, als es die Geschäftsleitung vielleicht wünscht.
  • Controlling: Nachdem der Vertrieb seine Vorhersage abgegeben hat, tritt oftmals das Controlling in den Prozess ein, um die gelieferten Zahlen zu überprüfen und zu validieren. Falls notwendig, kann das Controlling, gestützt durch detaillierte Daten und Fakten, Anpassungen an den Prognosen vornehmen.
  • Geschäftsleitung: Abschließend wird die erstellte Prognose an die Geschäftsleitung weitergegeben, die sie prüft und gegebenenfalls Anpassungen vornimmt. Ausgehend von seiner strategischen Perspektive kann das Top-Management Entscheidungen treffen, die Wege eröffnen, den Umsatz über die prognostizierten Werte hinaus zu steigern. Die Geschäftsleitung tendiert eher dazu, ambitionierte Umsatzziele zu setzten, da ein höherer Umsatz die Position des Unternehmens stärken bzw. höhere Umsätze aufgrund finanzieller Verpflichtungen notwendig sein können.

In vielen Unternehmen erfordert die Bestimmung des Forecasts mehrere Runden von Überprüfungen und Diskussionen zwischen diesen drei Beteiligten, um letztendlich eine finale Umsatzprognose zu erstellen, die auf den besten verfügbaren Informationen beruht und von allen Beteiligten akzeptiert wird.

Interviewer: Abschließend würde ich noch einmal auf die Relevanz des Controllings für Naturwissenschaftler in der Industrie zurückkommen. Könntet ihr die Berührungspunkte für Naturwissenschaftler, die als Laborleitung in der Industrie arbeiten, nochmal detailliert erläutern?

Morna: Dazu müssen wir uns anschauen, welche Aufgaben ein vollumfänglich verantwortlicher Laborleiter in der Industrie zu übernehmen hat. In einem größeren Unternehmen ist man selbst gar nicht mehr an der Bench. Der Fokus der Arbeit liegt auf der strategischen und betriebswirtschaftlichen Leitung der Abteilung und der Führung des Teams. Geschäftsführung, Controlling und Laborleiter bestimmen die Forschungsziele und das Budget, das der F&E-Abteilung zur Verfügung steht.

Die Abteilungsziele müssen in Ziele für die einzelnen Mitarbeiter heruntergebrochen werden. Den Mitarbeitern muss der Laborleiter die Aufgaben und Ziele in Mitarbeitergesprächen kommunizieren, häufig werden diese auch über sogenannte Zielvereinbarungen schriftlich fixiert. Das Erreichen der Ziele aus diesen Zielvereinbarungen ist auch die Grundlage für eventuelle Auszahlungen von Boni an die Mitarbeiter. Zudem muss er sich über die weitere Personalplanung und die Weiterentwicklung der Mitarbeiter Gedanken machen. Der Laborleiter muss Zeit-, Budget- sowie Ressourcenpläne für die verschiedenen Forschungsprojekte erstellen und deren Einhaltung sicherstellen.

Die Parameter Zeit, Budget und Ressourcen sind auch Kennzahlen, deren Einhaltung vom Controlling überwacht werden. Neben der Supervision des operativen Tagesgeschäfts muss der Laborleiter stetig die Möglichkeiten zur Prozessoptimierung im Blick haben, um die betriebswirtschaftliche Effizienz und die Qualität der Arbeit sicherzustellen. Auch im Rahmen der Prozessoptimierung und Kosteneinsparungen befindet sich der Laborleiter regelmäßig mit dem Controlling im Austausch. Darüber hinaus entwickelt und kalkuliert der Laborleiter zukünftige Investitionsprojekte und stellt diese der nächsthöheren Managementebene vor. Für die Kalkulation der Rentabilität der Investitionsprojekte holt sich der Laborleiter Unterstützung beim Controlling-Team.

Selbstverständlich ist der Laborleiter auch verantwortlich für die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben und muss sich deshalb permanent über rechtliche Neuerungen auf dem Laufenden halten. Hier sind eher die Rechts- und Qualitätsmanagement-Abteilung Sparringspartner. Der Laborleiter erstellt monatlich, quartalsweise und jährlich Reports für die Controlling-Abteilung und die Geschäftsführung, um die Transparenz über den Fortschritt, die Nutzung der Ressourcen und die anfallenden Kosten des Labors sicherzustellen und um eine Grundlage für strategische Entscheidungen sowie für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit zu bieten.

Take-Home-Message

Das angeführte Beispiel veranschaulicht eindringlich die Notwendigkeit für Pharma- und Biotechnologieunternehmen, Synergien zwischen kaufmännischen Fähigkeiten und naturwissenschaftlichem Wissen gezielt zu schaffen. Um Innovationen, die auf den Naturwissenschaften basieren, voranzutreiben und gleichzeitig den wirtschaftlichen Erfolg zu gewährleisten, ist es unabdingbar, dass beide zusammenarbeiten. Sie repräsentieren gleichsam zwei Seiten einer Medaille. Daher ist es für die Unternehmen von entscheidender Bedeutung, dass ihre leitenden Naturwissenschaftler nicht nur fachspezifische Expertise mitbringen, sondern auch über fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse verfügen. Zusätzlich sollten sie eine proaktive Kooperation mit dem Controlling pflegen. Naturwissenschaftler, die Führungspositionen in der Industrie anstreben, sind gut beraten, sich frühzeitig betriebswirtschaftliches Basiswissen anzueignen. Dies stellt nicht nur eine Bereicherung ihres Wissensspektrums dar, sondern verschafft ihnen definitiv einen Karrierevorteil in einem multidisziplinären Umfeld.