Editorial

Durchstarten in der Life-Science-Industrie (6)
Einstiegsjobs mit Potenzial – Karriere-Sprungbrett für die Zukunft

Morna Gruber, Laborjournal 10/2022


(07.10.2022) In den vergangenen beiden Folgen dieser Karriere-Kolumne haben wir uns mit den Positionen Projektmanager und Produktmanager in der Life-Science-Industrie beschäftigt. Beide Positionen haben einige Gemeinsamkeiten: Man agiert als zentrale Schaltstelle zwischen einer Vielzahl von Stakeholdern, die man organisatorisch und kommunikativ so managen muss, dass das gesetzte Ziel erfolgreich im vorgegebenen Zeitrahmen erreicht wird. Es gibt noch eine weitere große Überschneidung: Viele Uni-Absolventen möchten als Projekt- oder Produktmanager in die Industrie einsteigen. Allerdings übertragen Unternehmen diese Positionen nicht gerne an Industrieunerfahrene. Glücklicherweise gibt es jedoch andere Einstiegspositionen, die sich perfekt als Karriere-Sprungbrett eignen.

Zahlreiche Absolventen reagieren zunächst irritiert, wenn während des Bewerbungsprozesses klar wird, dass das mühsam erworbene Fachwissen allein nicht ausreicht und man die Erwartungen an die Höhe des Gehalts und Einfluss der Position erst mal ordentlich zurückschrauben muss. Da macht sich schnell Enttäuschung breit: „Warum habe ich mich überhaupt durch die Promotion (oder den Master) gequält, wenn der Abschluss mich doch nicht für eine leitende Position qualifiziert?“

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Gehegt und gepflegt im Trainee-Programm. Illustr.: Pixabay / RosZie

Hier können wir Entwarnung geben: Weder den Master noch die Promotion hat man „umsonst“ gemacht, sie bilden ein solides Fundament. Naturwissenschaftler werden dringend in der Life-Science-Industrie gebraucht. Allerdings ist Fachwissen zwar notwendig, aber nicht hinreichend. Um in der Welt der Unternehmen langfristig erfolgreich zu sein, benötigen wir zusätzlich betriebswirtschaftliche Kenntnisse, und vor allem müssen wir die Zusammenhänge in der Welt der Unternehmen und in der Industrie verstehen. So ähnlich wie die Lehramtsstudenten nach dem ersten Staatsexamen: Nachdem ihr Fachwissen geprüft wurde, erlernen sie im anschließenden Referendariat systematisch und unter Supervision, wie man in der Praxis mit Schülern arbeitet. Auch Naturwissenschaftler müssen nach Studiumabschluss erst mal Praxiserfahrung in der Industrie sammeln.

Wo einsteigen? Pharma, Biotech, Produktlieferanten, Serviceanbieter...

Welche Positionen sich gut als Sprungbrett für zukünftige Projekt-, Produktmanager oder Teamleiter im Life-Science-Bereich eignen, hängt von der angestrebten Endhaltestelle ab. Ob der Einstieg in die Medikamenten-entwickelnde Pharma- und Biotech-Industrie erfolgen soll oder ob man sich eher für Unternehmen interessiert, die Produkte und Services rund um Laborgeräte, Analyse-Kits und Labor- sowie Forschungsservices anbieten, macht einen durchaus großen Unterschied. Denn gerade im Produktmanagement, Marketing und Vertrieb von Medikamenten gelten strengere Compliance-Regeln (beschrieben im Arzneimittel- und im Heilmittelwerbegesetz) als bei Anbietern für Laborprodukte und Laborservice.

Schluss mit Vorurteilen: Keine Angst vor dem Vertrieb und der Kundenbetreuung

Wenn man sich für Laborgeräte und -services interessiert, ist der Einstieg über eine Vertriebs-assoziierte Stelle ein guter Weg. Hier erlernt man das notwendige betriebswirtschaftliche Wissen. Zu den Begriffen „Vertrieb“, „Außendienst“ und „Kundenberatung“ haben viele Absolventen jedoch eher negative Assoziationen. Dies sollte man überdenken, denn der Vertrieb stellt eine zentrale Säule für den Unternehmenserfolg dar – ohne Kundenberatung und Vertrieb kann ein Unternehmen keinen Umsatz generieren. Zudem ist im Vertrieb und der Kundenbetreuung eigentlich für jeden etwas dabei.

Außendienst, Inside Sales Support, Tech-Support Specialist und Application Manager

Im Außendienst setzt man die Marketing- und Vertriebsstrategie um, die der Produktmanager und die Vertriebsleitung (häufig unter Einbeziehung der Meinungen des Außendienstes) entwickelt haben. Man muss aber selbst auch strategisch arbeiten: Man analysiert potenzielle Kunden im zugeteilten Vertriebsgebiet, gewichtet sie nach möglicher Kaufkraft und entscheidet, über welchen Channel, mit welchem Produktportfolio und welchen Verkaufsargumenten man den Kunden anspricht. Hier nutzt das naturwissenschaftliche Wissen, um dem Kunden ein auf seine Forschungsprojekte abgestimmtes Produktportfolio vorzustellen. Am erfolgreichsten ist, wer sich einen Kundenstamm aufbaut, von dem man als wissenschaftlicher Sparringspartner betrachtet wird. Zusätzlich beobachtet man den Markt und sammelt Erfahrung aus dem Kundenkontakt, um dies an das Produktmanagement und die Research-and-Development(R&D)-Abteilung zurückzuspielen. So lassen sich Produkt und Marketing- sowie Vertriebsstrategien verbessern. Bleiben die Umsatzzahlen hinter den Erwartungen, muss man seine strategischen Maßnahmen eigenständig und flexibel anpassen. Das Einstiegsgehalt liegt im Rahmen von 48.000 bis 60.000 Euro plus leistungsabhängigem Bonus von 10 bis 25 Prozent des Jahresgehaltes plus Firmenwagen.

Der Inside Sales Support unterstützt den Außendienst, indem er Angebote für deren Kunden erstellt, Verfügbarkeiten von Produkten prüft, technische Anfragen zu Produkten beantwortet, Bestellungen von Bestandskun­den und aus dem Onlineshop bearbeitet und Reklamationen prozessiert. Hin und wieder beteilgt sich der Inside Sales Support mit Mailingkampagnen oder Telefonaktionen auch an der Neukunden-Akquise. Diese Position kommt für diejenigen in Frage, die sich das Wissen aus dem Vertrieb aneignen wollen, aber zu viel Respekt vor den Aufgaben im Außendienst haben. Das Einstiegsgehalt liegt bei 36.000 bis 50.000 Euro pro Jahr, häufig plus leistungsabhängigem Bonus von 10 bis 25 Prozent.

Wem auch diese Position noch zu „Sales-lastig“ ist, für den wären möglicherweise Positionen im Tech-Support und im Application Management interessant. In diesen Positionen steht nicht der Verkaufsakt im Vordergrund, sondern die technische Beratung. Hier kann man sein komplettes naturwissenschaftliches Wissen anbringen, um den Kunden bei Fragen zu Produkten, Methoden, Protokollen und Funktionsweisen von Geräten ein kompetenter Gesprächspartner zu sein. Häufig obliegt dem Tech-Support auch die Reklamationsbearbeitung, da dabei auch technisch-naturwissenschaftliche Fragestellungen im Vordergrund stehen. Tech-Support und Application Management übernehmen die wichtige Funktion, eine nachhaltige Kundenzufriedenheit und -bindung sicherzustellen. Im Tech-Support beträgt das Einstiegsgehalt 36.000 bis 48.000 Euro pro Jahr. Da ein Application Specialist auch häufig zu den Kunden vor Ort fährt, um die Kalibrierungen und Wartungen von Geräten vorzunehmen oder Methoden vorzuführen, ist das Jahresgehalt mit 48.000 bis 60.000 Euro etwas höher und beinhaltet zusätzlich einen Dienstwagen.

Stairway to Heaven: Trainee-Programme in Pharmaunternehmen

Wer seine Zukunft als Projekt- oder Produktmanager in der Pharmabranche sieht, der sollte sich unbedingt um die Aufnahme in ein dortiges Trainee-Programm bemühen. Diese werden für verschiedene Abteilungen angeboten – zum Beispiel bei R&D, Marketing and Sales, Medical Affairs, Quality, aber durchaus auch im Finance and Controlling oder Human Resources. Als angehender Produktmanager bietet sich ein Trainee-Programm im Marketing and Sales an.

Im Rahmen eines Trainee-Programms lernen die Teilnehmer innerhalb von zwei Jahren alle Aspekte der gewählten Abteilung kennen. Ein zusätzliches Seminarprogramm und ein persönlicher Mentor unterstützen die Trainees. Das Ziel des Trainee-Programms ist in der Regel, die Trainees später auch als Fach- oder Führungskraft im Unternehmen einzusetzen beziehungsweise weiterzuentwickeln.

Ein typischer Ablaufplan eines Trainee-Programms im Bereich Marketing und Sales sind in etwa so aus:

  • In den ersten zwei Monaten hospitiert der Trainee in verschiedenen Abteilungen des Marketing-and-Sales-Bereiches, um die Zusammenhänge zwischen den (Unter-)Abteilungen besser verstehen zu können.
  • Darauf folgt eine sechsmonatige Phase im strategischen Marketing, während der der Trainee die Abteilung bei der Erarbeitung von Marketingstrategien für Medikamente eines bestimmten Indikationsgebiets (zum Beispiel Onkologie) unterstützt.
  • Es folgt eine vierwöchige Außendienstschulung und daran anschließend eine neunmonatige Phase im Arzt- und/oder Klinik-Außendienst.
  • Abschließend unterstützt der Trainee sechs Monate Monate lang die Prozesse rund um die Markteinführung eines Medikaments (Market Access).
  • Zusätzlich zu der Ausbildung im operativen Geschäft wird die Entwicklung der Trainees durch einen persönlichen Mentor und ein umfassendes Seminarprogramm zu Themen wie Zeit- und Selbstmanagement, Kommunikation und Führung oder auch Projektmanagement begleitet.

Trainee-Programme sind also äußerst attraktiv für Absolventen. Man erhält eine sehr gut strukturierte Einarbeitung und kann sich schnell einen Überblick über alle Zusammenhänge in einer ganzen Business Unit verschaffen. Zusätzlich zu den meist überaus großzügigen und umfassenden Fortbildungs- und Mentoring-Programmen gibt es häufig auch ein sehr ansprechendes Jahresgehalt von 50.000 bis 60.000 Euro. Man darf aber eines nicht vergessen: Die Unternehmen machen das nicht zum Selbstzweck. Im Rahmen dieser Programme screenen sie nach „High Potentials“, also Talenten, die dann als zukünftige Fach- und Führungskräfte dem Unternehmen durch gute Leistung auch wieder etwas zurückgeben sollen. Aus unterschiedlichen Gründen kann es jedoch auch mal vorkommen, dass im Anschluss an das Trainee-Programm eine Übernahme doch nicht funktioniert. Das stellt in der Regel kein Problem für die weitere Karriere dar. Aufgrund des guten Rufs von Trainee-Programmen der großen Pharmafirmen hat der Absolvent einen „sehr guten Marktwert“ und findet in der Regel sehr zügig seinen Traumjob in einem anderen Unternehmen.

Take-Home-Message

  1. Noch einmal zur Erinnerung: Den entscheidenden Unterschied macht die Industrie-Erfahrung. Deshalb ist es klug, schon während der Uni-Zeit Praxiserfahrung zu sammeln – zum Beispiel über Werksstudierendenjobs, oder indem man die Bachelor-, Master- und/oder Doktorarbeit in Kooperation mit einem Unternehmen schreibt.
  2. Jobs, bei denen man koordinierende Aufgaben übernimmt und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge erlernen kann, wie zum Beispiel im Vertrieb und der technischen Beratung, sind eine gute Ausgangslage für die anschließende Karriere als Produkt- oder Projektmanager.
  3. Doch die Welt ist nicht schwarz-weiß und lässt sich nicht auf eine Doppelseite im Laborjournal pressen. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit für Uni-Absolventen, direkt in eine leitende Position mit 75.000 Euro Startgehalt einzusteigen. Da dies allerdings eher unwahrscheinlich ist, sollte man eben auch einen Plan B haben.

Die beschriebenen Optionen sind kein schlechterer Einstieg, sondern vielleicht sogar der bessere. Denn so kann ein angenehmer Start in der Industrie gelingen, bei dem man sich auch mal einen Fehler erlauben kann. Steige ich gleich als Führungskraft mit entsprechendem Gehalt ein, ist die Erwartung dagegen sehr hoch. Und auch der Druck kann schnell ganz schön groß werden, bedenkt man die plötzliche Verantwortung für Menschen und den betriebswirtschaftlichen Erfolg der Projekte und Produkte. Gerade wenn einem am Ende des Tages zur erfolgreichen Erfüllung dieser großen Verantwortung die Industrie-Erfahrung fehlt. Deshalb: Lieber beim Einstieg auf eine gute Einarbeitung wertlegen – sowie darauf, dass bei dem Job die betriebswirtschaftlichen Grundlagen erlernt werden können. Zwei Jahre später lässt sich dann ganz bewusst und mit genügend Praxiserfahrung im Gepäck der Schritt in Richtung Fach- oder Führungskarriere oder hin zum Projekt- oder Produktmanager souverän und geplant angehen. Und mit dem ersten Karrieresprung nach zwei Jahren hüpft dann auch das Gehalt mit auf das nächste Level.