Serotonin wird aus L-Tryptophan über Decarboxylierung des Zwischenprodukts 5-Hydroxytryptophan synthetisiert und entfaltet im Menschen seine Wirkung über mindestens 14 Rezeptoren, die in sieben Familien eingeteilt werden (5-HT
1 bis 5-HT
7). Bindung an die Rezeptoren 5-HT
1B, 5-HT
2A und 5-HT
2B zum Beispiel führt zur Blutgefäßkontraktion in Lunge und Nieren, Bindung an 5-HT
7 in der Skelettmuskulatur hat dagegen blutgefäßerweiternde Wirkung. Bei der Blutgerinnung sorgt Serotonin über Rezeptoren vom Typ 5-HT
1A für die Aggregation von Thrombozyten. Im Magen-Darm-Trakt regen die Rezeptoren 5-HT
3 und 5-HT
4 die Darmperistaltik an. Als Neurotransmitter der Raphe-Kerne (
Nuclei raphes) im Hirnstamm beeinflusst Serotonin unter anderem Schmerzempfinden, Schlaf-Wach-Rhythmus und Körpertemperatur.
Der Serotoninspiegel variiert zwischen einzelnen Individuen, unter anderem abhängig von den Serotonin-Transportern (SERT), die aufgrund von SNPs, alternativem Splicen und anderen Polymorphismen Serotonin verschieden schnell in die Zellen aufnehmen. Der Serotonin-Spiegel unterscheidet sich also je nach genetischer Ausstattung. Damit beeinflussen die Gene auch Risikobereitschaft und Stressneigung (
Mol Psychiatry 2008, 13(11):1021-7).
Das Glückshormon
Verschiedene Erkrankungen ändern den Serotonin-Stoffwechsel. So lassen sich bei Depressiven erniedrigte Serotonin-Spiegel nachweisen. Auch bei Angst- und Zwangsstörungen, Autismus, Aggressionen, Sucht, Migräne oder dem Reizdarm-Syndrom spielt Serotonin eine Rolle. Bei Verliebten vermutet man einen leicht erhöhten Serotonin-Spiegel, der ein Gefühl der Zufriedenheit bewirkt. Deshalb wird es auch „Glückshormon“ genannt.
Da Serotonin selbst nicht die Blut-Hirn-Schranke passieren kann, bringt es allerdings nichts, serotoninreiche Lebensmittel wie etwa Walnüsse zu essen, um die Stimmung zu heben. Anders sieht es bei den Serotonin-Vorläufern L-Tryptophan und 5-Hydroxytryptophan aus: sie durchqueren die Blut-Hirn-Schranke.
Die Wirkung des Serotonins hält an, bis es von der Effektorzelle über Serotonin-Transporter (SERT) aufgenommen und recycelt wird. Wird bei Mäusen das Gen für den Serotonin-Transporter (
Slc6A4) ausgeschaltet, so ist der Serotoninspiegel erniedrigt. Die Tiere sind anfälliger für Stress, haben einen veränderten Schlaf und sind ängstlich. Die Körpertemperatur ist erhöht und der Darm empfindlich, da die aktivierende Wirkung von Serotonin auf die Darmmotilität fehlt.
Einen ähnlichen Effekt erzielten die Forscher um Michael Bader am MDC Berlin: Sie schalteten bei Mäusen die Tryptophan-Hydroxylase 2 (Tph2), ein Enzym der Serotonin-Synthese, aus. Tph2
-/--Mäuse waren lebensfähig, jedoch war die Regulation von Schlaf, Körpertemperatur, Blutdruck und Atmung gestört. Nur die Hälfte der Tiere wurde erwachsen und war fertil, doch vernachlässigten die Muttertiere ihren Nachwuchs (
PNAS 2009, 106(25):10332-7).
Fazit: Serotonin macht gesellig, glücklich und fortpflanzungslustig. Diese schönen Effekte nutzen Antidepressiva wie die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), welche die Serotonin-Konzentration in der Gewebeflüssigkeit des Gehirns erhöhen. Aber Vorsicht, Ecstasy, Amphetamine und Kokain haben dieselbe Wirkung. SSRI-Überdosierung kann ebenso wie der Konsum dieser Drogen zum Serotonin-Syndrom führen und die positive Wirkung ins Negative umkehren. Die Folgen sind Depression und Angstzustände.
Beispiele zur Wirkung von Serotonin
Im beweglichen Schwamm
Tethya wilhema aktiviert Serotonin kontraktile Zellen (M. Nickel et al.,
Front Zool 2006, 3:7). Beim Fadenwurm
C. elegans reguliert Serotonin über verschiedene Serotoninrezeptoren Eiablage und olfaktorisches Lernen. In der gewöhnlich einzelgängerisch lebenden Wüstenheuschrecke
Schistocerca gregaria erhöht Serotonin bei hoher Populationsdichte die Schwärmbereitschaft (M. Anstey et al.,
Science 2009, 323:627-30). In der parthenogenetischen Rennechse
Cnemidophorus uniparens besteigen Weibchen Weibchen, um die Eireifung anzuregen. Serotonin hemmt dieses Verhalten (
Horm Behav 2006, 50(3):401-9). Der Tüpfel-Messerfisch
Brachyhypopomus pinnicaudatus erzeugt ein pulsartiges elektrisches Feld, mit welchem er sich orientiert und kommuniziert. Injiziertes Serotonin verstärkt die elektrischen Impulse ähnlich wie bei einer Begegnung mit einem anderen Messerfisch (
J Exp Biol 2003, 206(8):1353-62).
Letzte Änderungen: 22.12.2009