Editorial

Quantum dots

von Petra Stöcker (Laborjournal-Ausgabe 03, 2003)


Herkömmliche Nanokristalle als biologische Fluoreszenzmarker? Physiker und Biologen beweisen es gemeinsam.

Wer kennt das nicht? Als tanzwütiger Nachtschwärmer hat man sich für schlankmachendes Schwarz entschieden und dann das: Peinlich fluoreszieren die Fussel im blinkenden Discolicht! Für Wissenschaftler hingegen bedeutet eine ausgeprägte, möglichst langanhaltende Fluoreszenz kein hektisches Herumzupfen am Pulli, sondern eine willkommene Möglichkeit, bequem auch noch die letzten dunklen Winkel zellulärer Strukturen auszuleuchten.


Quanten-Pünktchen statt Quanten-Sprünge

"Quantum dots" (QDs) sind Fluoreszenzmarker der nächsten Generation. Einer gelungenen Zusammenarbeit von Physikern und Biologen ist zu verdanken, dass sie nun auch für biologische Zwecke genutzt werden können.

Hinter den physikalischen Chamäleons verbergen sich Halbleiter-Nanokristalle, die aus einem Cadmium-Selen-Kern mit einer Zink-Sulfid-Hülle bestehen. Sie können ihr Fluoreszenzlicht, welches auf den Halbleiter-Charakter zurückzuführen ist, abhängig von ihrer Größe über Monate hinweg in den unterschiedlichsten Farben aussenden – eine Anregung im UV-Licht genügt. Schon allein durch diese Photostabilität besitzen sie einen unschlagbaren Vorteil gegenüber den bisher in vitro und in vivo verwendeten Markern (synthetische Fluorophore wie "Texas Red" und "Oregon Green" sowie fluoreszierende Proteine wie "Luciferase" und "EGFP").

Für die biologische Anwendung der QDs mussten die Wissenschaftler zunächst deren hydrophobe Hülle modifizieren, eine unspezifische Bindung und Aggregation der individuell beladenen Teilchen verhindern und Immunogenität vermeiden. Zu Tage kamen einige clevere Strategien: Eine Forschergruppe um Xingyong Wu von der Quantum Dot Corporation in Californien (kaum gibts einen Geistesblitz, gibts auch schon die dazugehörige Firma) hat die Dots mit einer Polyacrylat-Hülle versehen und kovalent an Immunglobulin G gekoppelt (Nature Biotechnology 21, S. 41).


Flexible Helferlein

So in Watte verpackt halfen die Kostbarkeiten unter anderem dabei, den in Brustkrebszellen oftmals überexprimierten Zelloberflächenrezeptor Her2 erfolgreich in fixierten wie auch lebenden Zellen zu detektieren: Her2 wurde mit einem primären Maus-anti-Her2-Antikörper markiert, der mit dem sekundären QD-anti-Maus-IgG selektiv gefärbt wurde.

Im gleichen Journal ab Seite 47 demonstriert Jyoti K. Jaiswal mit seiner Arbeitsgruppe von der Rockefeller University die Langzeit-Multifarbmarkierung lebender Zellen. Die von ihnen entwickelten Dots besitzen eine negativ geladene DHLA (Dihydroliponsäure)-Hülle, an die bestimmte Antikörper elektrostatisch gebunden sind: entweder direkt oder indirekt über eine positiv geladene Peptidbrücke. Die Gruppe kann damit nach Endozytose selektiv Zelloberflächenproteine in HeLa-Zellen färben, während die Zellen weiter wachsen und sich differenzieren.

Auch vor dem DNA-Screening macht dieses neue Spielzeug der Spektroskopiker nicht halt. Die Arbeitsgruppe um Shuming Nie von der Indiana University verwendete Mikrobeads aus Polystyren, in deren Poren sie Quantum dots unterschiedlicher Größe und Emissionsspektren, gekoppelt mit kurzen DNA-Sequenzen, eingebettet hatten (Nature Biotechnology 19, S. 631). Nach DNA-Hybridisierung liessen sich spezifische DNA-Sequenzen durch die dazugehörigen Farben identifizieren. Ein wesentlicher Vorteil dabei ist, dass eine einzige Lichtquelle ausreicht, um QDs unterschiedlicher Größe simultan anzuregen.

Doch damit nicht genug: ein "Dream Team" aus Physikern und Biologen der Rockefeller University, New York, und dem NEC ("Nippon Electric Company"), einem Forschungsinstitut in Princeton, New Jersey, setzten dem Ganzen noch eins drauf. Sie entwickelten die ersten QDs, die in einen lebenden Froschembryo erfolgreich injiziert wurden (Science 298, S. 1759).

Das Hydrophobie-Problem lösten sie, indem sie das komplette Dot in einer Mizelle verkapselten – ein pharmazeutischer Trick, der schon lange angewendet wird, um wasserunlösliche, inkompatible Arzneistoffe besser in verschiedenen Medien lösen zu können. Mizellen bilden sich konzentrationsabhängig in einer Lösung amphiphiler Substanzen, was nur wenige Minuten dauert und gute Ausbeuten liefert.


Das "GFP-Bunny" und leuchtende Kartoffeln

Die Mizellen bestehen aus einer stabilen Mixtur der Phospholipide Phosphatidylcholin (PC) und Polyethylenglycol-Phosphatidylethanolamin (PEG-PE), die eine regelmäßige Struktur bilden und kaum immunogen und toxisch wirken. Diese trojanischen Ponys wurden in einige Zellen früher Xenopus-Embryonen mikroinjiziert, womit die Forscher dank der langanhaltenden Fluoreszenz der Dots die Embryogenese bis hin zur Kaulquappe beobachten konnten.

Soviel revolutionäre Leuchtkraft könnte in Zukunft ebenso für Schlagzeilen sorgen, wie es seinerzeit den Gentechnikern mit Ihren Kreationen gelang: etwa fluoreszierende Mäuse sowie die im Dunkeln leuchtende Häsin Alba (bekannt als "GFP-Bunny") oder transgene Kartoffeln, die leuchten, wenn sie Durst haben.

Die Dots sind mittlerweile für viele biologische Anwendungen zu kaufen, womit dem Drang, mehr Licht ins Dunkel zu bringen, nichts mehr im Wege stehen dürfte.



Letzte Änderungen: 20.10.2004