Editorial

Wer sucht, der findet

(28.7.2014) Die „Bild-Detektivin“ von EMBO Press untersucht Abbildungen vor der Publikation auf Unstimmigkeiten. Leonid Schneider hat sie in Heidelberg besucht.
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Jana Christopher, die Wissenschaftsdetektivin, hat einen gesunden Abstand zum Forschungsbetrieb und dessen Tücken. Sie ist ausgebildete Maskenbildnerin und Übersetzerin. Bei EMBO war sie bereits mehrere Jahre als Redaktionsassistentin tätig, als EMBO Press sich im Jahr 2009 von Nature Publishing Group trennte und zwei Jahre später auch einen neuen Chef-Editor anheuerte, Bernd Pulverer. Zusammen entwickelten die beiden den weit reichenden Ansatz, alle Abbildungen, die in Publikationen der vier EMBO-Zeitschriften erscheinen sollen, auf  Unstimmigkeiten zu prüfen (siehe auch dieses Interview bei Nature News).

Einerseits könne man damit vorsätzliche Manipulationen rechtzeitig entdecken und entsprechende Publikationen aufhalten, so die Überlegung. Andererseits erspart die professionelle Prüfung der Abbildungen den Autoren spätere Peinlichkeiten, beispielsweise wenn sie aus Versehen ein Bild doppelt zeigen. Christopher sieht ihre Aufgabe daher nicht als Verbrecherjagd, sondern als Beitrag für verlässliche Wissenschaftsvermittlung und als „Dienstleistung für die Autoren“.

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Kampf dem Schlendrian

Das Problem, gegen das die Bild-Detektivin vorgeht, ist bekannt. Viel zu oft finden sich in der Fachliteratur mangelhafte oder verdoppelte Abbildungen (wie z. B. neulich hier berichtet). Etwa 20 % aller Manuskripte, die kurz vor der Akzeptanz bei EMBO Press stehen, sind laut Christopher korrekturbedürftig. Sie spricht vom „Schlendrian“ der Autoren. Allerdings: Nur bei weniger als einem Prozent der untersuchten Arbeiten sind die Manipulationen derart schwerwiegend, dass die Manuskripte kurz vor der Publikationszusage abgelehnt werden müssen.

Oft finden sich Unachtsamkeiten oder Verschönerungsversuche. Manche Autoren entfernen „störende“ Bildelemente in Mikroskopie-Aufnahmen und Western Blots, wie Schmutzpartikel, Artefakte, oder gar „unspezifische“ Banden. Gelegentlich wird auch der Hintergrund strategisch wegretuschiert oder ausgeblendet.

Nicht immer steckt eine unlautere Absicht hinter solchen „Verschönerungen". Viele Autoren wissen schlicht nicht, welche Methoden der Bildoptimierung akzeptabel, welche problematisch, und welche absolut unzulässig sind. Christopher berichtet von dankbaren Autoren, die froh waren, dass sie auf ihre Fehler aufmerksam gemacht wurden.

In einem Fall hätten die Autoren sogar ein bereits akzeptiertes Manuskript zurückzogen. Der Grund: Als sie das Experiment wiederholten, das der problematischen Abbildung zu Grunde lag, stellten sie fest, dass es nicht reproduzierbar war.

Autoren helfen und dafür ihre Wertschätzung bekommen: Das ist für die Bild-Detektivin der beste Aspekt ihrer Arbeit. Weniger erfreulich sei dagegen der Umgang mit älteren Publikationen, bei denen Probleme erst zehn oder mehr Jahre nach Erscheinen auftauchen. Deren zum Teil intensiv „überarbeitete“ Abbildungen lassen sich schwer bewerten oder gar korrigieren. Die Bildauflösung ist oft niedrig, Originaldaten fehlen oder sind nicht auffindbar. Entsprechend aufwendig ist die Aufklärungsarbeit bei diesen Altfällen.

Dennoch folgt Christopher regelmäßig den aktuellen Meldungen auf dem Portal PubPeer, einer anonymen Diskussionsplattform für wissenschaftliche Publikationen. Sobald ein Eintrag zu einer der EMBO-Zeitschriften kommt, nimmt sie das betroffene Paper umgehend unter die Lupe.

Wenn sie etwas potentiell Problematisches in den Abbildungen entdeckt, spricht sie sich mit den EMBO-Editoren ab, bevor diese die Autoren kontaktieren. Grundsätzlich werden die Autoren dann auch gebeten, die Rohdaten zu schicken, um die Bildintegrität besser überprüfen zu können.

Wie wird analysiert?

Wie läuft die Bildanalyse in der Praxis ab? Als erstes sucht Christopher nach Bildduplikationen, indem sie alle Abbildungen nebeneinander anordnet und zusammen betrachtet. Dabei sind Erfahrung und ein scharfes Auge gefragt. Manche Bilder sortiert die Detektivin sofort als unzulänglich aus, zum Beispiel solche mit zu niedriger Bildauflösung, oder überstrahlte Western Blots ohne Hintergrund.

Auch ungleichmäßige Banden-Muster in Western Blots (Bildbeispiel hier) gelten als Alarmsignal, denn sie können auf fehlende Ladungskontrollen, Gelspur-Spleißen oder manchmal sogar auf digital eingefügte Banden hinweisen. Danach kommen frei verfügbare Spezial-Werkzeuge der forensischen Bildanalyse zum Einsatz, die vom US-amerikanischen Office of Research Integrity (ORI) entwickelt wurden. Unregelmäßigkeiten im Hintergrund, Retuschier-Versuche und Duplikationen einzelner Bildausschnitte lassen sich so besser erkennen.

Ähnlich aussehende Gel-Banden werden übereinander gelegt: Wenn sie sich nahtlos überlagern, schrillen die Alarmglocken. Aber selbst das liefert oft kein eindeutiges Ergebnis. Manchmal sind ähnliche Bildsegmente zwar nicht identisch, aber dennoch problematisch. Solche Differenzen können auch durch die digitale Kompression, das Strecken und Versetzen des Ausschnittes, oder das Verwenden verschiedener Aufnahmen der gleichen Proben entstanden sein. Dies wiederum deutet dann bisweilen auf einen raffinierten Vertuschungsversuch hin.

Die Qualitätssicherung bei EMBO Press findet also immer wieder Probleme, die noch vor der Publikation beseitigt werden können. Daher empfiehlt Pulverer diesen Ansatz auch anderen Journals und Verlagshäusern. Er warnt aber, dass „die Journale sicher nicht in der Lage sind, professionell ausgeführte, vorsätzliche Täuschung zu entdecken – und sie sehen das auch nicht als Ihre Aufgabe an“.

Wer fälschen will, schafft das auch

Jeder könne „schon im Prinzip im Experimentieransatz unentdeckt fälschen, wenn er denn will“. Oder die gefälschten Daten ausschließlich als Diagramm oder Tabelle präsentieren. Pulverer beschwichtigt aber auch: „So etwas passiert aber äußerst selten und fällt bisweilen erst durch fehlende Reproduzierbarkeit auf“.

Lohnt sich der Aufwand, den EMBO Press für die Bildanalyse betreibt? Christopher erklärt, dass sie für eine übliche Manuskript-Untersuchung etwa 20 Minuten benötige. Andererseits kann man sich vorstellen, welcher redaktionelle Aufwand nötig wäre, die Abbildungen in bis zu 20 % der ungeprüften Paper später mit Corrigenda zu versehen. Ganz zu schweigen vom Aufwand und dem Schaden, der entsteht, wenn eine manipulierte Studie durch eine Retraction aus der wissenschaftlichen Literatur herausgenommen werden muss.

Die Datenintegrität vor der Veröffentlichung zu prüfen ist daher eigentlich die beste Investition, die ein Journal tätigen kann.

Leonid Schneider

Illustration: © Sergio Bellotto / iStock

 


Morgen  an dieser Stelle:  Wieso prüfen nicht alle Journals ihre Manuskripte vor der Annahme mit den Methoden der Bild-Analyse? Ein Kommentar von Leonid Schneider.



Letzte Änderungen: 11.09.2015