Editorial

DFG-Entscheidung im Fall Rottländer

(13. Juli 2014) Wissenschaftliches Fehlverhalten hat Folgen: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft schließt einen Mediziner für vier Jahre von der Antragsberechtigung aus und erteilt eine Rüge. Aber ist der Fall damit erledigt?
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Vier Jahre "Ausschluss von der Antragsberechtigung" bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und eine "schriftliche Rüge". Das ist das Maßnahmenpaket der DFG gegenüber dem Mediziner Dennis Rottländer (ehemals Arbeitsgruppe Uta Hoppe, Herzzentrum der Universität zu Köln). Rottländer hatte bewusst elektrophysiologische Daten aus Herzstudien manipuliert, so die Einschätzung des DFG-Ausschusses zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

Der junge Mediziner forschte in der Arbeitsgruppe von Uta Hoppe unter anderem an mitochondrialen Herzmuskelzellen und wechselte 2011, zusammen mit seiner früheren Chefin, von Köln an das Salzburger Universitätsklinikum.

Der DFG als auch der Universität zu Köln soll ein schriftliches Geständnis vorliegen, in dem  Rottländer zugegeben haben soll, Daten in zwei Publikationen manipuliert zu haben. (Rottländer et al., Journal of Clinical Investigation (vol. 120: 1441-53) und Rottländer et al., Proceedings of the National Academy of Sciences USA (PNAS 2012, 109: E242-51)). Beide Forschungsarbeiten wurden mit DFG-Mitteln gefördert. Auch gegen Hoppe läuft ein förmliches Verfahren vor dem DFG-Untersuchungsausschuss. Die  Universität zu Köln möchte ebenfalls noch in diesem Jahr ihre Untersuchungen zu dem Fall abschließen.

Mehrfach entschuldigt

Rottländer sagte gegenüber dem DFG-Ausschuss, es sei ihm in seiner Forschungszeit am Kölner Herzzentrum "nicht gelungen, die von der Arbeitsgruppenleiterin erwarteten Messergebnisse rasch zu erzielen". Er habe dann damit begonnen, "Spuren [elektrophysiologische Daten] zusammenzustellen", so die DFG in ihrer Pressemitteilung. Dafür habe sich Rottländer mehrfach entschuldigt.

Gemäß DFG-Verfahrensordnung kann der DFG-Ausschuss je nach Art und Schwere des wissenschaftlichen Fehlverhaltens entscheiden, welche Sanktionen ausgesprochen werden. In diesem Fall wurde Rottländer "schriftlich gerügt" und für "vier Jahre von der Antragsberechtigung ausgeschlossen". Die erhaltenen Förderungen muss Rottländer nicht erstatten. Allerdings steht noch die abschließende Entscheidung der DFG sowie der Universität Köln zu Uta Hoppe aus, die seinerzeit Rottländers Forschungsarbeiten am Kölner Herzzentrum wissenschaftlich begleitete.

Öffentlich gemacht hatte die Geschichte damals ein amerikanischer Forscher, Paul Brookes, der die wissenschaftlichen Fehlleistungen seiner Wissenschafts-Kollegen und -Kolleginnen unter einem Pseudonym auf seiner privaten Internet-Seite öffentlich machte (wir berichteten darüber).

Anfang 2013 wurde Brookes enttarnt. Er musste daraufhin alle Offenbarungen über mögliches wissenschaftliches Fehlverhalten samt Abbildungen, Kommentaren und Links von seinem Blog löschen. In einem Science-Interview erzählt Brookes von seinen Erfahrungen als Whistleblower. Seine Erfahrungen und Ergebnisse aus dieser Zeit hat er mittlerweile aufgearbeitet und publiziert.

Derweil forscht die Kardiologin Hoppe immer noch am Salzburger Universitätsklinikum. Die Publikationen von Dennis Rottländer als Erstautor und Uta Hoppe als Corresponding Author zeigten auffallend viele manipulierte Mess-Kurven aus elektrophysiologischen "patch clamp"-Einzelkanalmessungen an isolierten Mitoplasten (Mitochondrien ohne äußere Zellmembran).

"Unrechtsgehalt des Verhaltens"

Die DFG hatte bereits im Mai 2012 von dem Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens gegen Uta Hoppe erfahren. Öffentlich wurden diese Vorwürfe erst ein paar Monate später auf den Webseiten von Brookes. Das hat offensichtlich für ausreichend Zündstoff gesorgt. Die kardiologische Forschungs-Gemeinschaft hatte das Thema "Wissenschaftsbetrug" im Frühjahr 2013 jedenfalls auf seiner Agenda der 79. Jahrestagung der DGK (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V.). Der Begriff "Betrug" taucht in der Pressemitteilung zur Jahrestagung gleich mehrmals auf.

Von "Betrug" ist in der Entscheidung der DFG, Rottländer für die nächsten vier Jahre die Antragsberechtigung zu entziehen, jedoch keine Rede. Stattdessen spricht die Vorsitzende des Ausschusses, DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek, von einem "Unrechtsgehalt des Verhaltens von Herrn Rottländer". Als Grund für die wissenschaftliche Unredlichkeit nannte der junge Wissenschaftler im DFG-Verfahren den "befristeten Jahresvertrag" am Universitätsklinikum Köln und die „große Sorge um seine Anstellung und Karriere“. Für die Generalsekretärin ist der von Rottländer "beschriebene Druck nachvollziehbar, entschuldigt sein Fehlverhalten jedoch in keiner Weise“.

Die Worte der DFG sind deutlich, auch wenn der Spielraum für mögliche Maßnahmen gegen Rottländers wissenschaftliches Fehlverhalten nicht vollends ausgeschöpft wurde. Wissenschaftliches Fehlverhalten ist nicht zu entschuldigen, so deutete es bereits die Kardiologen-Gesellschaft auf ihrer Jahreshauptversammlung an. Allerdings hat die Fach-Gesellschaft in ihrem Statement zum "Wissenschafts-Betrug" auch das (menschliche) Schicksal derjenigen bedacht, die sich zu Datenmanipulationen und Fälschungen haben hinreißen lassen. Wie zum Beispiel Dennis Rottländer, der sich dazu verleiten ließ, seiner damaligen Vorgesetzten "gute Ergebnisse" zu präsentieren - in Form von identischen und gespiegelten "patch clamp"-Spuren in unterschiedlichen Abbildungen.

Fürsorgepflicht der Chefin

Gegen oder für die damalige Leiterin der Arbeitsgruppe, Uta Hoppe, hat hingegen noch keine Untersuchungs-Instanz eine abschließende Entscheidung getroffen. Wobei es aus Hoppes ehemaliger Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Köln durchaus Publikationen gibt, die dem Whistleblower Brookes ebenfalls suspekt vorkamen. An diesen Arbeiten war der junge Mediziner Rottländer jedenfalls nicht beteiligt.
Uta Hoppe leitete damals die Kölner Arbeitsgruppe am Herzzentrum und hatte sowohl die Verantwortung als auch eine Art Fürsorgepflicht für ihr Team. Robert Paul Königs von der DFG  hatte auf der Jahreshauptversammlung der "Deutschen Gesellschaft für Kardiologie" 2013 deutlich gemacht:

„Wenn Fehlverhalten vorliegt, sehen wir uns auch die Rolle der Laborleiter genauer an. Denn es genügt nicht, als Vorgesetzter zu betonen, selbst nicht gefälscht zu haben. Vielmehr darf es einer Leitungsperson nicht egal sein, wenn es im eigenen Labor zu Fehlverhalten kommt. Daher gilt es, mehr Bewusstsein für wissenschaftlich korrektes Verhalten zu schaffen. Insofern haben die prominenten Fälle der letzten Zeit auch eine gute Seite: Sie haben dazu beigetragen, die Sensibilität für das Problem zu schärfen.“

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die einmal selbst eine Arbeitsgruppe leiten, werden sich anhand solch einer klaren Äußerung vielleicht noch einmal genau überlegen, wie man gute Labor-Ergebnisse "produzieren" kann, ohne "unredlich" zu sein.

Rottländer ist kein Mitglied der Deutschen Kardiologengesellschaft mehr und die Mitarbeitenden des Salzburger Universitätsklinikums können seinen Namen im Telefonverzeichnis auch nicht mehr finden. Brookes darf trotz seiner Enthüllungs-Aktivitäten weiter an Herz-Mitochondrien forschen. Und die Herz-Spezialistin Uta Hoppe hat ihre leitende Position in Salzburg immer noch inne.

Man hat also mal kurz über das Thema Datenmanipulation in der Forschung diskutiert, sich ein wenig aufgeregt, Maßnahmen eingeleitet und optimistische Ziele formuliert. Gut, dass wir noch einmal darüber gesprochen haben.

 

Daniela Knoll

Abb.: "geklonte" Patch-Clamp -Spuren, Fig 2A, Rottlaender D. et al. 2010



Letzte Änderungen: 01.09.2014