Editorial

Nukleinsäure-Nachweis mit Spinat und Zipfelchen

(28.02.2024) Ein neues Verfahren weist die Nukleinsäure von Pathogenen mit einer wilden Reaktionskaskade nach. Klingt kompliziert, ist aber einfach und schnell durchzuführen.
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Im Verlauf der Coronavirus-Pandemie meldeten Labore aus allen Ecken der Welt kreative Nachweismethoden für Nukleinsäuren, die dem Platzhirsch RT-qPCR ernsthaft Konkurrenz machten. Besonders aufhorchen ließen Verfahren, die ohne teure Geräte wie Thermocycler auskamen und kompatibel waren mit Point-of-Care (POC)-Anwendungen. Sensitive und schnell an neue Viren-Varianten anpassbare Verfahren zur Detektion von Nukleinsäuren sind aber immer noch ein angesagtes Thema – wer weiß, wann die nächste Pandemie zuschlägt. Außerdem verraten sich neben Viren auch andere Pathogene sowie bestimmte Krankheiten durch charakteristische Nukleinsäuren.

Letztere lassen sich nicht nur mit qPCR oder isothermaler Amplifikation nachweisen, sondern auch mit der sogenannten Toehold-Mediated-Strand-Displacement (TMSD)-Technik. Für diese benötigt man keine speziellen Instrumente, dafür aber umso mehr molekularbiologisches Know-how. Die TMSD basiert darauf, dass die nachzuweisende einzelsträngige Nukleinsäure ein DNA-Stück aus einem speziell designten Doppelstrang verdrängt, woraufhin entweder das freigesetzte fluoreszenz­markierte Stück oder der neu formierte Doppelstrang detektiert wird. Die Toehold-Technik wurde vor rund zehn Jahren von Peng Yins Gruppe am Wyss Institute der Harvard University entwickelt (Nature Chem, 4: 208–214), ein Video des Instituts illustriert die Funktionsweise der Toehold-Proben (LINK).

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Doppelstrang mit Zipfelchen

Voraussetzung für das TMSD ist ein einzelsträngiges Zipfelchen (Toehold) an einem Ende des Doppelstrangs, auf dem die Ziel-DNA landen kann, um danach den Strang zu verdrängen. Leider liefern TMSD-basierte Verfahren mitunter auch in Abwesenheit der Ziel-DNA Signale. Mit verschiedenen Nukleinsäure-Strängen, die in einem thermodynamischen Gleichgewicht stehen, versuchen Forschende dieses sogenannte Leakage zu unterbinden.

Elisha Krieg und sein Doktorand Krishna Gupta dachten sich am Leibniz-Institut für Polymerforschung in Dresden eine Strategie aus, mit der sich das Leakage bei der Toehold-Technik mit Oligonukleotiden kontrollieren lässt. So ausgeklügelt die Idee der beiden ist, so einfach und kostengünstig ist das dafür benötigte Material und Equipment. Die Reaktion findet in einem einzigen Reaktionsgefäß statt und liefert ein Fluoreszenzsignal, das sich per Smartphone-Kamera verfolgen beziehungsweise als Endpunkt-Messung erfassen lässt. Das Fluoreszenzsignal entsteht, wenn das proprietäre RNA-Aptamer Spinach mit dem konditionalen Fluorophor DFHBI (3,5-Difluoro-4-hydroxy­benzyliden­imidazolidinon) einen Komplex bildet. Entstehen kann das Spinach-Aptamer aber nur, wenn es am Ende einer TMSD-Kaskade transkribiert wird.

Zwei Konstrukte, drei Blockier-Oligos

Gupta und Krieg verwendeten die neue TMSD-Technik für den Nachweis von SARS-CoV-2 sowie Zika-Viren. Dazu verwendeten sie Virus-spezifische Targets mit einer Länge von jeweils 33 Nukleotiden. Der Reaktionsansatz für die TMSD besteht im Wesentlichen aus zwei linearen DNA-Konstrukten, die über große Teile komplementär zueinander sind und sowohl einzel- als auch doppelsträngige Abschnitte enthalten. Eine kurze Erhitzung im Annealing-Puffer auf 80 Grad Celsius sowie eine langsame Abkühlung sorgen dafür, dass sich die drei Blockier-Oligos Bx, By und Bz an den gewünschten Stellen anlagern. Das Spinach-Konstrukt (S) ist universell anwendbar, das Pathogen-Konstrukt (P) ist auf das jeweilige Ziel zugeschnitten.

Strang S beherbergt eine T7-Promotor-Domäne, an die sich die codierende Sequenz für Spinach anschließt. S ist bis auf einen Abschnitt (3‘-ständig) im T7-Promoter, mit dem das Oligo By hybridisiert, einzelsträngig. Strang P enthält ebenfalls eine T7-Promotor-Domäne. Hier ist jedoch der 5‘-ständige Teil doppelsträngig, weil Oligo Bx daran bindet. Anstelle des Spinach-codierenden Abschnitts folgen auf den Promotor eine doppelsträngige Sequenz mit dem gebundenen Oligo Bz sowie ein einzelsträngiges Zipfelchen (Toehold), das als Landeplatz für die nachzuweisende Zielsequenz (Target) dient.

Die einzelsträngige Target-DNA hybridisiert mit dem Toehold am Ende des P-Konstrukts und verdrängt daraufhin Bz aus dem einstigen Doppelstrang. Hierdurch wird vorübergehend ein Abschnitt des P-Konstrukts freigelegt, der mit dem komplementären Abschnitt des S-Konstrukts hybridisiert und damit die Grundlage für die nächste Strangverdrängung schafft. Jetzt wird By aus dem S-Konstrukt verdrängt, und in ähnlicher Weise anschließend Bx aus dem P-Konstrukt.

Leakage verhindert

Das Endprodukt ist ein [P-S]-Hybridmolekül, das den kompletten T7-Promotor als Doppelstrang enthält, gefolgt von der für Spinach codierenden Sequenz. Für das Detektionssignal fehlen aber noch zwei Mitspieler. Der erste ist die zugegebene T7-Polymerase, die an den Promotor bindet und das Spinach-Aptamer transkribiert. Der zweite Player ist DFHBI. Das Spinach-Aptamer bindet an DFHBI, wodurch ein Fluoreszenzsignal entsteht.

Das Konzentrationsverhältnis zwischen einzelsträngigen P- und S-Strängen und blockierenden Oligos (Bx, By, Bz) dient als Stellschraube, mit der sich das Leakage weitgehend oder komplett verhindern lässt. Wer genau wissen will, ob und wie viel Leakage stattgefunden hat, und außerdem die optimalen Konzentrationsverhältnisse definieren will, kann die Blockier-Oligos mit Biotin markieren und nach Reaktionsende mit Streptavidin-bemantelten Kügelchen isolieren. Mit dem Biotin-Trick lassen sich auch unerwünschte Leakage-Produkte abfangen, bevor der Expressionsschritt durch die Zugabe von T7-Polymerase eingeleitet wird.

Mit dem TMSD-basierten Detektionsverfahren aus Sachsen lassen sich wenige Femtomol beziehungsweise 5 bis 20 Pikogramm der Targetsequenz nachweisen. Die beiden Forscher können sich vorstellen, dass sich die Sensitivität der Methode mit anderen Aptameren, wie zum Beispiel Broccoli, noch steigern lässt.

Andrea Pitzschke

Gupta K. & Krieg E. (2024): A spring-loaded and leakage-tolerant synthetic gene switch for in-vitro detection of DNA and RNA. BioRxiv, DOI: 10.1101/2024.02.12.579921.

Bild: Pixabay/Shafin_Protic




Letzte Änderungen: 28.02.2024