Editorial

Narbenfreier Knock-in

(06.12.2023) Durch CRISPR/Cas-Endonukleasen entstehen Insertionen-Deletionen. Verknüpft man die Endonukleasen mit Exonukleasen, wird die gewünschte Sequenz ohne Narben integriert.
editorial_bild

Dass beim CRISPR/Cas-Editing die zelleigene Reparatur­maschinerie den Schnitt der Genschere Cas9 „verarztet“, ist sehr praktisch. Die Doppelstrangbrüche werden in den allermeisten Fällen jedoch durch Nicht-Homologe Endverknüpfung (Non-Homologous End Joining, NHEJ) geschlossen, da die Homologie-gerichtete Reparatur (Homology-Dependent Repair, HDR) um ein Vielfaches unwahrscheinlicher ist. NHEJ hinterlässt jedoch Narben in Form von Indels, deren Art und Länge vom Zufall abhängen.

Für den Knock-out von Genen mag das vorteilhaft sein – für ihren präzisen Austausch ist es jedoch ein Manko. Ohne Narben geht die Reparatur des Doppelstrangbruchs nur via HDR über die Bühne. Hier sind die Enden der DNA an beiden Seiten des Bruchs homolog zu einem eingeschleusten DNA-Fragment, das mehrere hundert Basenpaare (bp) lang sein kann. Die für die Gentherapie ersonnene Long-range-rewriting-Strategie kann des Missverhältnis von NHEJ zu HDR etwas geraderücken (siehe hierzu „Neuschreiben mutierter Gene“ vom 16.08.2023 auf LJ online). Es geht aber auch anders.

Editorial

Endonukleasen ausgetrickst

Grundvoraussetzung für die HDR sind DNA-Überhänge, die entstehen, wenn die Zelle die Enden von Doppelstrangbrüchen prozessiert und ansatzweise einzelsträngig macht. Mindestens 25 Basenpaare lange 3‘-Überhänge bieten der HDR genügend Anknüpfungspunkte, um eine DNA mit homologen Enden in die Bruchstelle einzubauen. Die gängigen CRISPR-Endonukleasen sind diesbezüglich aber absolut unkooperativ – Cas9 generiert glatte Brüche und Cas12 hinterlässt 5‘-Überhänge. Alain Tissiers Mannschaft am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle an der Saale trickst die Cas-Nukleasen aus, indem sie diese mit einer 5‘-Exonuklease verknüpft. Die Gruppe nutzte dazu die 5‘-Exonukleasen aus den Bakterio­phagen T5, T7, Lambda und UL12 sowie Exo1 aus Arabidopsis thaliana. Als Kontrollkandidaten dienten 3‘-Exonukleasen. Die Exonukleasen hängte das Team jeweils an den C-Terminus von Cas9.

Um verfolgen zu können, ob und wie die Doppelstrangbrüche geschlossen werden, verwendete die Gruppe transgene Tabakpflanzen (Nicotiana benthamiana) als Reportersystem. Die transgene Linie enthielt einen Tabakmosaikvirus (TMV)-Vektor, der ein GFP-Gen sowie ein defektes RdRP-Gen beherbergte. RdRP codiert für die RNA-abhängige RNA-Polymerase. Wird das fehlerhafte RdRP-Gen durch ein intaktes Pendant ersetzt, exprimiert das wiederhergestellte TM-Virus das grünfluoreszierende Protein. Die rekonstituierten TMV breiten sich von Zelle zu Zelle aus, wodurch sich auch das Fluoreszenzsignal von GFP verstärkt. Die Forschenden zielten mit einer entsprechenden guideRNA auf die Sollbruchstelle im RdRP-Gen (attB) und schleusten mithilfe von Agrobacterium tumefaciens ein intaktes RdRP-Gen sowie alle anderen benötigten Komponenten in die Zellen.

Funktionsverlust spurlos korrigiert

Die Rekonstitution von TMV funktionierte nur mit den 5'-Exonukleasen der Bakteriophagen UL12 und T7. Am effektivsten war sie mit der 5'-Exonuklease von UL12. Die Gruppe vermutete, dass die höhere Enzym­aktivität hierfür verantwortlich sein könnte, und suchte in der Verwandtschaft von UL12 und T7 nach weiteren Vertretern. Tatsächlich schnitten die 5'-Exonukleasen des Papaiine Alphaherpesvirus 2 (UL12-Ortholog) sowie des Bakteriophagen IME15 (T7-Homolog) im HDR-Reporter-Assay noch besser ab.

Mit der Strategie des Teams sollten sich längere Gen­abschnitte prinzipiell an beliebigen Stellen in Pflanzengenomen narbenfrei unterbringen lassen. Zumindest deuten Experimente mit Arabidopsis-Mutanten darauf hin. Die zwergwüchsigen Pflänzchen trugen ein defektes Thiamin-C-Gen mit einer T-DNA-Insertion im dritten Intron, die zu einem vollständigen Funktionsverlust führt. Via Agrobacterium tumefaciens schleuste Tissiers Mannschaft die entsprechende T-DNA für die Reparatur in die Pflanzenzellen ein, zusammen mit einem Konstrukt zur Expression der Cas9-Exonuklease-Fusions­proteine (PapE::Cas9 oder ME15E::Cas9). Die transgenen Nachkömmlinge wuchsen normal. Die Genom­sequenzierung ergab, dass 12 von 28 Pflanzen die korrigierte ThiC-Kopie enthielten. Die transgenen Pflanzen waren nicht vom Wildtyp zu unterscheiden, der Allel-Austausch wäre zum Beispiel in Nutzpflanzen nicht nachweisbar.

Das Ganze funktionierte analog auch mit Mutanten, bei denen ein defektes GLABRA1-Gen zu Blättern ohne Haare (Trichome) führte. Nach dem Austausch des defekten GLABRA1-Gens mithilfe der Exonuklease-Fusionen tauchten in der nächsten Generation an den Blättern wieder Trichome auf.

Andrea Pitzschke

Schreiber T. et al. (2023): Efficient scar-free knock-ins of several kilobases by engineered CRISPR/Cas endonucleases. BioRxiv, DOI: 10.1101/2023.11.24.568561.

Bild: Pixabay/Wolfgang Hasselmann (Blatt) & Pixabay/ElasticComputeFarm (Pflaster)





Letzte Änderungen: 05.12.2023