Editorial

Vollgestopfte Taschen

(15.11.2023) Sehr verdünnte DNA-Proben kann man so oft hintereinander in die Taschen eines Agarosegels füllen, bis diese genügend DNA enthalten.
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Dass sich die ersten Teilnehmer etwas früher in Bewegung setzen, um ihren Nachfolgern Platz zu schaffen, ist ein altbewährtes Konzept bei großen Sportevents. Es taugt aber nicht nur für Marathon- oder Triathlon-Veranstal­tungen, sondern auch für das Laden von DNA-Proben in Agarosegelen. Selbst dick gegossene Gele mit entsprechend tiefen Taschen fassen nur ein begrenztes Probenvolumen. Ist die DNA stark verdünnt, verschwindet die Bande im Hintergrundrauschen des Gels und die Probe ist im schlimmsten Fall verloren.

Sie vor der Gelelektrophorese aufzukonzentrieren, kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern auch wertvolles Probenmaterial. Die Geltaschen mit dicken Kämmen oder Kämmen mit zusammengeklebten Zähnen zu vergrößern, ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Im ersten Fall entstehen unscharfe Banden, im zweiten ändert das höhere Ladevolumen nichts an der mangelnden Detektierbarkeit stark verdünnter Proben. Das in einigen Ladepuffern enthaltene SDS begünstigt zwar die Bildung schärferer Banden mit höherer Signalintensität. Der Effekt ist aber ziemlich überschaubar.

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Spannungspuls nach Ladevorgang

Eine genauso simple wie effektive Technik verwenden hingegen Kevin Lewis und Drew Sowersby von der Texas State University in San Marcos, USA, um verdünnte DNA-Proben in Gelen aufzukonzentrieren. Die Texaner beladen die Geltasche wiederholt mit der DNA und schicken nach jedem Ladevorgang einen kurzen Spannungspuls durch das Gel, bevor sie die nächste Probe in die Geltasche pipettieren. Auf diese Weise bringen sie mehrere hundert Mikroliter DNA-Lösung in den Gelen unter und erhöhen die Menge der geladenen DNA entsprechend. Lewis und Sowersby nennen die Technik Successive Reloading Electrophoresis oder kurz SURE-Elektrophorese. Sie eignet sich für analytische und präparative Gelelektrophoresen.

Die beiden tasteten sich systematisch an die optimalen Bedingungen für die SURE-Elektrophorese heran. Dazu verwendeten sie 0,8-prozentige Agarosegele, die sie mit Ethidium­bromid oder SYBR-Gold färbten. In die erste Geltasche luden sie eine unverdünnte Probe, die etwa dreißig Nanogramm DNA enthielt. In die nächste Tasche pipettierten die Forscher sechsmal jeweils 25 Mikroliter einer sechsfach verdünnten Probe. Nach jedem Ladevorgang legten sie für zwanzig, dreißig oder vierzig Sekunden eine konstante Spannung von acht Volt pro Zentimeter an (112 V im 11-x-14-Zentimeter-Minigel), die sie jeweils unterbrachen, um das nächste Aliquot zu beladen. Anschließend ließen die zwei das Gel bei 130 Volt laufen, bis die mit Brom­phenol­blau markierte Lauffront eine festgelegte Linie erreicht hatte.

Kurz plus niedrig = scharf

Bereits eine für zwanzig Sekunden angelegte Spannung genügte, um in der Geltasche jeweils Platz für die nächste Probe zu schaffen. Hielten die Forscher die Spannung für vierzig Sekunden bei, wurden die Banden in dem Gel unscharf. Dreißig Sekunden dauernde Spannungspulse lieferten ebenfalls gute Ergebnisse, doch mussten Lewis und Sowersby hierfür die Spannung auf sechs Volt pro Zentimeter begrenzen. Die allgemeingültige Formel lautet: kurze Pulse und eine niedrige Spannung ergeben die schärfsten Banden.

Beim Vergleich verschiedener Ladepuffer machten die Forscher einige interessante Beobachtungen. So sollte man kommerzielle Ladepuffer ohne SDS, die zum Beispiel sechsfach konzentriert sind, etwas stärker als 1:6 verdünnen. Grund hierfür ist, dass das in den Ladepuffern enthaltene EDTA diffusere Banden verursacht, wenn die Konzentration zu hoch ist. Optimal ist eine finale EDTA-Konzentration von weniger als fünf Millimolar.

Das Gleiche gilt auch für SDS-haltige Ladepuffer, in denen die Proben offensichtlich langsamer auf den Boden der Taschen sinken, wodurch sich die Effektivität des wiederholten Ladevorgangs verringert.

Herausschwappende Moleküle

Die Forscher mixten außerdem einen eigenen Ladepuffer. Dieser enthielt 0,02 Prozent Brom­phenol­blau, 15 Prozent Ficoll-400 sowie 20 mM Tris pH 8, aber kein EDTA. Ob Gel und Laufpuffer EDTA enthalten oder nicht, ist hinsichtlich der Bandenschärfe genauso egal wie die Wahl zwischen Tris-Acetat EDTA (TAE) oder Tris-Borat EDTA (TBE). Auch macht es keinen Unterschied, ob der Ladepuffer Ficoll, 20 Prozent Glycerin oder 30 Prozent Sucrose enthält.

Geht beim wiederholten Beladen der verdünnten Probe aber nicht doch etwas verloren, weil ein paar DNA-Moleküle unbemerkt aus den Taschen „herausschwappen“? Die Forscher bestimmten die Wiederfindungsrate einer sechsmal aufgetragenen, 1:6 verdünnten Probe und verglichen sie mit der Rate der unverdünnten, einmal aufgetragenen Originalprobe. Im Vergleich zur unverdünnten Probe lag die Wiederfindungsrate bei etwa 85 Prozent – die Ladeverluste waren also minimal.

Wer die SURE-Elektrophorese maximal ausreizen will, kann mit der Technik bis zu 800 Mikroliter Probenvolumen in einer Tasche unterbringen. Die Texaner beluden zum Beispiel ein 1 Zentimeter dickes Gel zehnmal mit 80 Mikrolitern einer Probe, die insgesamt 83 Nanogramm enthielt. Das ist meist aber gar nicht nötig. Bereits mit sechs nacheinander aufgetragenen Volumina von 25 Mikrolitern konnten sie in einer extrem verdünnten Probe DNA nachweisen, die in einer Konzentration von 0,7 Picogramm pro Mikroliter vorlag.

Andrea Pitzschke

Sowersby D. & Lewis. L. K. (2023): SURE gel electrophoresis: A method for improved detection and purification of dilute nucleic acid samples. Analytical Biochemistry, 684:115373.

Bild: AdobeStock/kongvector




Letzte Änderungen: 15.11.2023