Editorial

Super Bowl für Fliegen

(13.09.2023) Flache Projektionsflächen sind für die Stimulierung von Facettenaugen ungeeignet. Besser sind schüsselförmige, die man selbst herstellen kann.
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Anflug auf die Super Bowl

Was passiert im Gehirn der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, wenn das aus vielen einzelnen Ommatidien bestehende Facettenauge etwas erblickt? Diese Frage versuchen Forschende zu beantworten, indem sie die neuronale Aktivität im Fliegenhirn nach einem Stimulus durch einen Lichtstrahl messen. Bei der Interpretation der Signale ist jedoch Vorsicht geboten. Weil das Fliegenauge gewölbt ist, trifft der Lichtstrahl nicht mit derselben Intensität auf die einzelnen Ommatidien – auf einige fällt das Licht frontal, andere streift es nur. Die gemessene neuronale Aktivität ist daher nur eine Antwort auf bunt gemischte Reizintensitäten.

Die Messwerte wären viel exakter, könnte man den visuellen Reiz so einstellen, dass seine Intensität über die gesamte Fläche des Facettenauges identisch wäre. Um dies zu erreichen, haben sich Forschende verschiedene optische Konstruktionen für die Beleuchtung des Fliegenauges ausgedacht, die von flachen bis zu zylinder­förmigen Projektions­flächen reichen – perfekt ist bislang aber keine.

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Erinnert an Football

Stefan Prech, Lukas Groschner und Alexander Borst vom Max-Planck-Institut für Biologische Intelligenz in Martinsried schauten sich die optischen Gegebenheiten bei der visuellen Stimulierung des Fliegenauges genauer an und kamen auf eine verblüffend einfache Lösung für die Form der Projektionsfläche: Die von dem Team entworfene Oberfläche ist nicht flach oder zylindrisch, sondern schüsselförmig. Und da die drei offensichtlich American-Football-Fans sind, nennen sie die Apparatur nach dem Finale des NFL-Wettbewerbs „Super Bowl“.

Die Form der Super Bowl passt perfekt zur konvexen Retina von Drosophila – sie erinnert an das Viertel eines eiförmigen Footballs, nachdem dieser jeweils in der Mitte, horizontal und vertikal aufgeschnitten wurde. Die Komponenten für die Super Bowl fertigte das Team mit dem 3D-Drucker, dazu kommen noch ein paar Elektronik­teile sowie ein kleiner als Lichtquelle dienender Projektor. Der Lichtstrahl des Projektors wird durch zwei Spiegel so umgeleitet, dass er das Innere der Super Bowl ausleuchtet; die Fliege ist auf einer Halterung über der Super Bowl fixiert.

Kontinuierliches Lichtsignal

Das Forschertrio hat die Krümmung der Super Bowl präzise berechnet und modelliert, eine Beschichtung der Oberfläche mit weißer Farbe und einem besonderen Lack verhindert störende Reflexionen. Als Projektor verwendete die Gruppe ein kommerzielles Standardmodell mit einer Auflösung von 1.280 x 720 Pixel, einer Bild­wiederhol­frequenz von 60 Hz sowie einer Flimmer­frequenz von 240 Hz. Da die beiden letzteren Werte deutlich über der sogenannten Flimme­rverschmelzungs­frequenz von Insekten liegen, nimmt das Fliegenauge ein kontinuierliches, nicht unterbrochenes Lichtsignal wahr.

Nach umfangreichen Vorbereitungen und Tests war die Super-Bowl-Arena frei für die ersten Experimente mit Fliegen, die die Forschenden über den beleuchtbaren Innenwänden der Super Bowl auf der Fliegen­halterung fixierten. Wie das Ganze konkret aussieht, ist sehr schön auf einem Video der Gruppe zu sehen. Mittels Patch-Clamp-Technik zeichnete das Team Spannungs­änderungen in Mi9-Neuronen auf, die in der unterhalb der Retina des Fliegenauges gelegenen Medulla sitzen. Dazu bestrahlte es die Fliegenaugen mit unterschiedlichen Beleuchtungs­frequenzen und Beleuchtungs­mustern, die langsam oder schnell durch die Super Bowl wanderten. Die Neuronen antworteten mit der entsprechenden Frequenz, und auch die Amplitude entsprach der Stärke des Lichtreizes.

Variable Vorlage

Wer die Super Bowl nachbauen möchte, findet die dazu benötigte Software sowie 3D-Druck-Dateien et cetera in bereitgestellten Files auf GitHub. Für großäugige Insekten lässt sich die Vorlage entsprechend vergrößern. Der Abstand vom Projektor zur Projektions­fläche der Super Bowl ist variabel. Wichtig ist eine absolut matte Oberfläche der Projektions­fläche, die unberechenbare Reflexionen unterdrückt.

Andrea Pitzschke

Bild: AG Borst (Super Bowl) & Pixabay/MostafaElTurkey36 (Fliege)

Prech S., Groschner L., Borst A. (2023): Super Bowl, an open platform for visual stimulation of insects. BioRxiv, DOI: 10.1101/2023.09.06.556482



Letzte Änderungen: 13.09.2023