Editorial

Pipettierknecht
als Spülhilfe

(21.06.2023) Mit einem günstigen Pipettier­roboter lassen sich Spitzen und Well-Platten schnell und gründlich reinigen. Gut für die Umwelt – und den Geldbeutel.
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Was bleibt, wenn das Experiment beendet ist? Hoffentlich gute Daten – aber leider auch Plastikmüll. Spitzen, Platten und Co sind nun mal meist Einwegware. In einer in Nature publizierten Studie („Labs should cut plastic waste too“) schätzten Mauricio Urbina, Andrew Watts und Erin Reardon von der University of Exeter die Menge des Plastikmülls, der im Jahr 2014 weltweit in Laboren entstanden war, auf 5,5 Millionen Tonnen. Ein einziger Doktorand produziert während seiner Promotion vermutlich viermal mehr Kunststoff­abfall, als er sein Leben lang an Plastik-Strohhalmen verbraucht. Zu dieser Einschätzung kommen John Bryant und seine Kollegen aus der Arbeitsgruppe von Clay Wright am Virginia Polytechnic Institute and State University in Blacksburg, Virginia (USA), in ihrem aktuellen bioRxiv-Manuskript.

Editorial

Reinigt Proteine und Pipettenspitzen

Diese Zahlen kratzen am Bild der umwelt­freundlichen Bioökonomie. Aber mal ehrlich, wer will schon Hunderte Pipetten­spitzen spülen? Oder jemanden bezahlen, der das tut? Wrights Gruppe fand jedoch eine überraschend einfache Lösung für dieses Problem: Sie reinigt die Spitzen mit einem einfachen Pipettier­roboter (OT-2 von opentrons), der rund 10.000 Euro kostet und üblicherweise für die Aufreinigung von Nuklein­säuren oder Proteinen eingesetzt wird, aber auch PCRs oder NGS-Libraries pipettieren kann.

Um den Liquid Handler zur Putzhilfe umzufunk­tionieren, entwickelte die Gruppe mit preiswerten Basis­chemikalien als Reinigungs­mittel Spülmethoden für die Routine-Kultur von E. coli, das Handling von DNA sowie die Kultivierung von S. cerevisiae. Bryant und Co, die sich im Department of Biological Systems Engineering üblicherweise mit Pflanzen­biotechnologie befassen, rückten zwei Punkte in den Fokus: Weder sollten Reste der Mikro­organismen oder DNA in der Plastikware verbleiben noch Rückstände der verwendeten Reinigungs­chemikalien. Anhand dieser Kriterien verglichen sie vom Roboter gereinigtes mit unbenutztem Einweg-Laborplastik.

Ein Regenbogen aus E. coli

Der Biologen liebstes Haustier E. coli kam zuerst an die Reihe, und zwar vier Stämme, die unterschiedliche Chromo­proteine exprimierten. Das Team plattierte die bunten Bakterien mit 10-µl-Pipetten­spitzen aus und ließ den Roboter diese Spitzen anschließend spülen. Dabei verwendete er Bleiche (NaClO) mit Backsoda (NaHCO3) als Reinigungs­lösung. Der Liquid Handler tauchte die Spitzen in die Lösung ein und wusch sie damit – die Bleiche reinigt und desinfiziert die Spitzen, das Backsoda neutralisiert korrosive HCl-Aerosole, die dabei entstehen können. Danach spülte der Roboter die Spitzen mit Wasserstoff­peroxid (H2O2), wodurch die Bleiche zu NaCl, H2O und O2 umgesetzt wird, und zuletzt mit Wasser.

Mit den gesäuberten Spitzen pipettierten die Wissen­schaftler steriles Medium auf Platten und nach einem weiteren Spülvorgang einen anderen E.-coli-Stamm. Insgesamt wiederholten sie die Prozedur viermal, sodass die Spitzen am Ende acht Spülzyklen durchlaufen hatten. Die Tests zeigten, dass die Plastikware die Reinigung wohlbehalten überstand und so sauber wurde, dass keine Kontami­nationen mit den zuvor pipettierten Bakterien entstanden. Auch der Kolonie-Bildungs­fähigkeit der Mikro­organismen taten die wiederverwendeten Spitzen keinen Abbruch. Mit Flüssig­kulturen erstellte das Team danach Wachstums­kurven und optimierte anhand der Daten die Konzentration der Bleiche sowie die Art und Anzahl der anschließenden Spülschritte. Mit Erfolg: Erneut ließen sich weder Kontami­nationen noch Beeinträch­tigungen des Bakterien­wachstums nachweisen.

DNA, Hefe und wie man sie loswird

Nukleinsäuren zu entfernen, ist schwieriger, denn DNA ist ziemlich hartnäckig. Gerade für sensitive Methoden wie qPCR sind daher Einweg­materialien Standard. Bei den ersten Versuchen mit DNA-benetzten Spitzen stellte die US-Gruppe fest, dass Spülvorgänge mit Bleiche, Wasserstoff­peroxid und Wasser nicht genügten – bei der Kontroll-PCR zeigten sich immer noch Banden. Daher führte sie weitere Reinigungs- und Neutrali­sations­schritte mit dem sauren Detergenz Citrajet sowie Backsoda ein. Mit diesen beseitigte das Team die letzten Reste DNA und Reinigungs­mittel, was eine qPCR bestätigte: Die Amplifi­kations­effizienzen glichen denen der Kontrollen.

Der härteste Test für den Roboter waren adhärent wachsende Hefezellen. Die Forscher säten S. cerevisiae auf 96-Well-Platten aus, ließen die Zellen für zwei Stunden adhärieren und starteten dann die Reinigung mit dem Pipettier­roboter. Die Spülprozedur bestand aus mehreren Schüttel­vorgängen mit Bleiche und Backsoda, gefolgt von einer Neutralisierung mit Wasserstoff­peroxid sowie Waschen mit Wasser.

Debris stört nicht

Bei der Detektion von Kontaminationen per Durchfluss­zytometrie half ein rot fluoreszierendes Protein, das die Hefezellen exprimierten. Ganze oder gar lebende Zellen befanden sich nach der Reinigung nicht mehr auf den Platten. Wrights Mannschaft stellte aber fest, dass sich das Risiko unspezifischer Verschmutzungen mit der Verweilzeit der Zellen in den Wells der Platte erhöhte. Der Debris könnte, so spekulierte die Gruppe, aber auch vom Backsoda herrühren. Bei üblichen Durchfluss­zytometrie-Messungen sollte er allerdings nicht stören, da gängige Gating-Strategien ihn ohnehin nicht berücksichtigen.

Ein Multichannel-Pipetten­aufsatz erhöhte die Geschwindigkeit der Reinigung und verringerte somit die Rückstände. Auf diese Weise schafften es die Biotechnologen sogar, in einem integrierten Schritt sowohl Spitzen als auch Platten zu reinigen. Dabei übertraf die Dekonta­mination mit dem Roboter laut Bryant et al. sogar die Sterilität, die üblicherweise durch energie­intensive Autoklavier­vorgänge erreicht wird.

Die Umwelt schonen und sparen

Das Sparpotenzial ist erheblich: Der Plastikverbrauch sinkt drastisch, wenn die Spitzen wiederverwendet werden. Allein hierdurch amortisiert sich der Kaufpreis des Liquid Handler in einem kleinen Labor nach etwa vier Jahren, errechnete die Wright-Gruppe.

Für alle, die das Sparpotenzial ihres Instituts ausloten oder ihre eigene Roboter-Spülküche starten wollen, stellen Bryant und Co einen interaktiven Plot sowie ihre Reinigungs­programme für den Pipettier­roboter zur Verfügung. Nur noch die Racks entsprechend befüllen – und dann heißt es: Fröhliches Spülen!

Angela Magin

Bryant J. et al. (2023): TidyTron: Reducing lab waste using validated wash-and-reuse protocols for common plasticware in Opentrons OT-2 lab robots. bioRxiv, DOI: 10.1101/2023.06.09.544400

Bild: AdobeStock/13FTStudio



Letzte Änderungen: 21.06.2023