Editorial

Fälschungen im Flurfunk

(17.02.2023) Manchmal richtet Forschungsfälschung gar nicht so viel Schaden an, wie viele meinen. Einfach weil diejenigen im Feld schon lange „etwas ahnten“.
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Auch in der Wissenschaft gibt es den sogenannten „Flurfunk“ – und das ist auch gut so! Wie gut, davon bekamen wir eine Ahnung in einem Gespräch, das die Laborjournal-Redaktion vor einiger Zeit im Rahmen einer Recherche führte – und das ging etwa so:

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LJ: Herr Professor X, wie sehr schaden die jüngst aufgeflogenen Datenfälschungen des Kollegen Y Ihrem Feld?

Prof. X » Gar nicht. Wir haben schon lange bewusst vermieden, auf Ys Daten aufzubauen.

Das klingt, als hätten Sie seinen Daten schon vorher nicht getraut.

Prof. X » Exakt.

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Aber der Aufschrei war doch riesig, als die Fälschungen bekannt wurden.

Prof. X » Sicher. Geschrien haben allerdings nur die Anderen. Uns „Insider“ hat das überhaupt nicht überrascht. Wir wissen eben viel mehr, als in den Journalen steht. Wie woanders auch, haben wir ein gut funktionierendes Untergrund-Netzwerk. Und da wird früh Alarm geschlagen.

Wie muss man sich das vorstellen?

Prof. X » Nun ja, wenn jemand die Daten eines Kollegen nicht reproduzieren kann, dann weiß das ziemlich schnell jeder im Feld. Was meinen Sie denn, welches das „Flurthema“ schlechthin auf jeder Konferenz ist? Ich sage es Ihnen: Welche Daten sind robust, und welche sind es nicht; und welcher Forscher macht solides Zeug, und wer nicht.“

Und bei Y war die Sache schon lange klar?

Prof. X » Genau. Wir hatten ihn bereits unter Verdacht, als er die ersten „spektakulären“ Resultate anbrachte. Der eine konnte dies nicht reproduzieren, der andere hatte jenes schon lange vorher vergeblich versucht, ein Dritter hatte „etwas mitbekommen“,… Und so weiter. Glauben Sie mir: Wenn sich Leute schon richtig lange mit bestimmten Dingen beschäftigt haben, erkennen sie solche „Probleme“ ziemlich schnell.

Also viel Rauch um Nichts?

Prof. X » Forschungsfälschung ist immer schlimm, keine Frage. Doch meist richtet sie nicht den Schaden an, den viele befürchten, da die unmittelbar Betroffenen aufgrund der geschilderten Mechanismen sowieso schon lange vorsichtig waren. Laut schreien tun nur andere – vor allem diejenigen, die immer gleich den ganzen Wissenschaftsbetrieb in Gefahr sehen.

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Okay, gekauft. Auch wenn das wahrscheinlich nicht auf jeden Fall von Forschungsfälschung zutrifft. Wir können uns beispielsweise noch gut erinnern, wie die internationale Pflanzenforscher-Gemeinde auch unserer Redaktion gegenüber zuerst ungläubig und abstreitend, dann aber doch zunehmend überrascht und schockiert reagierte, als nach und nach die Mauscheleien in den Publikationen ihres Zürcher Kollegen Olivier Voinnet aufflogen.

Angesichts des obigen Gesprächs wünschen wir aber natürlich weiterhin guten Flurfunk! Sei es auf Konferenzen oder anderswo.

Ralf Neumann

(Illustration erstellt von OpenAI’s DALL-E2)

 

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Letzte Änderungen: 15.02.2023