Editorial

Maiskleie-Gele für die
Wundheilung

(08.02.2023) Die beim Mahlen von Mais übrig bleibende Maiskleie enthält Arabinoxylane. Diese lassen sich wunderbar zu antioxidativen Hydrogelen vernetzen.
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Die Arabinoxylane werden über ihre Feroylgruppen (lila) intensiv quervernetzt

Der letzte Maisdrescher räumt das Feld. Ab mit den Maiskörnern in die Mühle. Noch feucht, werden sie vermahlen, um an Stärke und Öl zu gelangen. Was aber passiert mit dem Rest, vornehmlich der Kleie, die einst das Maiskorn umhüllte? Maiskleie einfach nur Lebens- und Futtermitteln als Ballaststoff unterzumengen, wäre glatte Verschwendung. Bis zu fünfzig Prozent des Kleie-Trocken­gewichts machen Hemizellulosen in Form von Arabino­xylanen (AX) aus. Und die haben es in oder vielmehr „an“ sich. An ihren kettenförmig 1,4-verknüpften Xylose-Monomeren hängen neben Arabinose- auch Ferula­säure-Gruppen (bis 4 Prozent des Trocken­gewichts­anteils der AX) sowie andere Phenolsäuren. Wie quellfähig Arabino­xylane sind, weiß jeder, der schon einmal Roggenmehl angerührt und den Schleim beim Händewaschen kaum noch abbekommen hat. Ferula­säure (FA), auch als Vanillin-Ausgangs­stoff begehrt, bringt zudem antioxidative Eigenschaften mit. Die Kombination aus quellfähig und antioxidativ macht die Arabino­xylane der Maiskleie für biomedizinische Anwendungen interessant, zumal sie auch biologisch abbaubare Naturprodukte sind.

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Heiße Behandlung

Francisco Vilaplanas Gruppe an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm fasste daher den Plan, aus der Maiskleie Hydrogele herzustellen, die zum Beispiel in Geweben reaktive Sauerstoff-Spezies einfangen könnten, bevor sie in diesen Entzündungs­reaktionen auslösen.

Das Team hatte bereits in vorher­gehenden Arbeiten ein auf Wasser basierendes Verfahren etabliert, mit dem es Arabino­xylane in größeren Mengen gewinnen konnte, ohne dessen Polymer­struktur zu zerstören – und es kannte die Kniffe, mit denen man die Kettenlänge und das Ausmaß der Substitutionen manipulieren kann (Green Chem, 22:8337-52): Vier Stunden in 80 Grad Celsius heißem Wasser löst zunächst die Stärkereste heraus, die durch ein Sieb filtriert werden. Die zurück­bleibende entstärkte Kleie wird danach in einer sogenannten subkritischen Wasser­extraktion (SWE) in 160 Grad Celsius heißem Wasser in vier Zyklen (10, 30, 60, 90 Minuten) verwirbelt. Die hierdurch erhaltenen vier Extrakte werden vereint und gefrier­getrocknet.

Von der Natur inspiriert

Um aus dem aufgereinigten Maiskleie-Extrakt (CAX) Hydrogele mit gut vernetzten Ketten herzustellen, kupferte Vilaplanas Mannschaft enzymatische Oxidations-Polymeri­sations-Reaktionen aus der Natur ab, die zum Beispiel bei der Verholzung durch Lignin-Einlagerung in Zellwände auftreten. Bei Letzterer wandeln extrazelluläre Peroxidasen oder Laccasen die verschiedenen aromatischen Lignin-Grundbausteine zu Phenoxy-Radikalen um, die als Verknüpfungs­punkte für die Bausteine dienen und mit diesen reagieren. Es entsteht ein netzartiges, kompliziert gestricktes Lignin-Polymer.

Ganz analog lassen sich Arabino­xylane aus Mais via Ferulasäure-Gruppen quervernetzen. Als Laccase-Quelle nutzten die Stockholmer den Pilz Trametes versicolor (Schmetterlings­tramete), der unter anderem zur Behandlung von Herpes simplex sowie zur Aktivierung der Immunabwehr eingesetzt wird (mehr Infos dazu auf den Seiten des Mushroom Research Center Austria). Die Peroxidase kam aus Meerrettich (HRP). Die Laccase oxidiert die Ferulasäure und die anderen Phenolsäuren dank eines Kupferclusters sowie dem anwesenden Sauerstoff direkt – die HRP benötigt dazu Wasserstoff­peroxid. Die Herstellung der Gele ist unkompliziert. Das CAX-Pulver wird zunächst zwei Stunden unter der UV-Lampe behandelt, die Enzym­lösungen steril-filtriert. Anschließend versetzt man die wässrige CAX-Lösung mit Laccase beziehungsweise HRP und einer dreißig­prozentigen Wasserstoff­peroxid-Lösung. Bei 30 Grad Celsius unter moderatem Rühren bilden sich die Hydrogele CAX-L und CAX-H.

Enzyme im Vergleich

Den Entstehungs­prozess der Gele verfolgte die Gruppe unter anderem mittels HPLC-UV. Dabei zeigte sich, dass die Zahl der Ferulasäure-Monomere im Verlauf der enzymatischen Oxidation abnahm, da sie zu Dehydro-Dimeren (di-FAs) umgewandelt wurden. Die Vernetzung verlief aber nicht gleichmäßig – es verschwanden mehr FA-Monomere, als sich in den di-FAs wiederfanden. Die Schweden vermuten, dass einige di-FAs zu Dehydro-Trimeren (tri-Fas) weiter­reagierten. Dennoch findet über die Feroylgruppen eine intensive Vernetzung statt – wie schnell sie abläuft und wie komplex das Produkt ist, hängt vom eingesetzten Enzym ab.

Obwohl das Team im Vergleich zu Laccase nur ein Drittel an HRP-Enzym-Einheiten eingesetzt hatte, verschwanden die FA-Monomere mit der HRP schneller. Die Meerrettich-Peroxidase vernetzt die Arabino­xylane demnach effektiver. Laccase und Peroxidase zielen innerhalb der AX-Ketten auf unterschiedliche Querver­netzungs-Punkte. Mit HRP entsteht ein weniger organisiertes, nicht ganz so elastisches Hydrogel. Die Laccase führt hingegen zu einer langsameren Vernetzung und begünstigt damit nicht­kovalente Interaktionen zwischen Polymeren, die sich zu supra­molekularen Gebilden arrangieren, die stabil und elastisch sind.

Dass die Maiskleie-Gele biokompatibel sind und Zellen vor oxidativem Stress schützen können, zeigten Vilaplana und Co. in Experimenten mit Zellkulturen. Als Stressor verwendeten sie dazu die Substanz tert-Butylhydro­peroxid (t-BHP). Die Gruppe transferierte humane Epithelzellen (HAT-29-MTX) auf vorbereitete CAX-L- und CAX-H-Hydrogele. Als Kontrolle dienten Alginat-Gele, die zwar biokompatibel sind, aber keinen antioxidativen Schutz bieten. Das Prooxidant t-BHP induziert reaktive Sauerstoff-Spezies (ROS) und löst hierdurch unter anderem eine Mitochondrien-vermittelte Apoptose aus.

Überleben gesichert

Die Zellkulturen auf CAX-L oder CAX-H waren zu jedem Untersuchungs­zeitpunkt weniger ROS ausgesetzt als die Kulturen auf dem Alginat-Gel. Offensichtlich fingen die Feroyl­gruppen in CAX-L und CAX-H die ROS rechtzeitig ab und sicherten den Zellen damit das Überleben. Selbst bei der höchsten verwendeten t-BHP-Konzentration von 30 mM überlebten noch 85 Prozent (CAX-L) beziehungsweise 70 Prozent (CAX-H) der Zellen – bei Alginat-Gelen hingegen nur 52 Prozent.

CAX-L- und CAX-H-Hydrogele räumten die ROS unterschiedlich effektiv aus dem Weg. Zellen auf dem CAX-L-Hydrogel reagierten nach einer moderat steigenden t-BHP-Konzentration (0,15 mM; 0,6 mM) mit einer sukzessive höheren ROS-Produktion, die bei 30 mM t-BHP explosions­artig anstieg und zum Zelltod führte. Das CAX-H-Gel schützte die Zellen dagegen deutlich länger und besser. Die Stockholmer Gruppe führt dies auf die porösere Struktur von CAX-H-Gelen zurück, deren größere Oberfläche mehr ROS einfangen kann.

Entsprechend variieren die Einsatz­möglichkeiten der Maiskleie-Hydrogele. CAX-H-Gele eignen sich besonders gut, um Zellen vor oxidativem Stress zu schützen. Die elastischeren CAX-L-Gele könnten dagegen als Trägersubstanz für Medikamente sowie für andere biomedizinische Zwecke interessant sein.

Andrea Pitzschke

Yilmaz-Turan S. et al. (2022): Hydrogels with protective effects against cellular oxidative stress via enzymatic crosslinking of feruloylated arabinoxylan from corn fibre. Green Chem, 24:9114-27

Bild: Pixabay/PublicDomainPictures (Maiskolben) & Yilmaz-Turan S. et al.



Letzte Änderungen: 08.02.2023