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(02.06.2021) Englische Forscher haben einen Bewegungsablauf ausgeklügelt, mit dem man Zellkultur-Platten gleichmäßig besiedeln kann.
Ob frisch transformierte Bakterien oder Extrakte, deren Mikroorganismenlast man quantifizieren will – wer eine Zelllösung ausplattiert, greift zum Drigalskispatel oder zu ein paar sterilen Glaskügelchen, wirbelt damit die Lösung auf dem festen Medium etwas herum und stellt die Petrischale in den Inkubator. Trotz aller Routine erscheinen die Kolonien mal mehr und mal weniger gleichverteilt. Ist eben so, und kaum jemand macht sich einen Kopf darum.
Wenn es aber um das verlässliche Zählen Kolonie-bildender Einheiten (CFU) oder das Picken von Kolonien geht, ist gleichmäßige Verteilung essentiell. Einzelzellen können zu Dutzenden aufeinanderhocken und vorgaukeln, nur eine CFU zu sein. Vereinzeln erfordert anschließende Ausstriche und entsprechende Geduld.
Nach Billiard-Prinzip
Forscher und Forscherinnen der Universitäten York und Cambridge in Großbritannien sind die Verteilungsfrage systematisch und physikalisch angegangen, um eine optimale und reproduzierbare Prozedur zum Ausplattieren mit Glaskügelchen zu finden. Dafür nahmen sie ganz normale Petrischalen (88 mm Durchmesser) mit LB-Agar (1,8 %) und 100 µl Verdünnungen einer Escherichia-coli-Suspension.
In 40 Konfigurationen variierten sie die Anzahl an Glaskügelchen (Durchmesser 4mm) sowie Art und Anzahl der händischen Plattenbewegungen. Anschließend bestimmten sie jeweils Kolonienanzahl, mittlere Entfernung jeder Kolonie zu ihren Nachbarn, Variabilität und Uniformität der Verteilung. Mit einem mathematischen Modell, das sich an Billiard-Prinzipien orientiert, können sie die Beobachtungen beschreiben – aber für Laborratten zählt wohl nur das praktische Know-how zum effektivsten Bewegungsmuster.
Besser mit Roboter
Demnach führen zwei Konstellationen zum besten Ergebnis. In beiden Fällen zeichnet die Bewegung einen rechten Winkel: rauf-rechts-links-runter. Bei 2–10 Kügelchen wiederholt man die Bewegung 25-mal, bei 10–25 Kügelchen führt man sie 5-mal aus. Wer dabei mit Glaskügelchen geizt (die ja ohnehin sterilisiert und wiederverwendet werden), erreicht nicht die gesamte Plattenoberfläche. Kügelchenanzahl, Bewegungsart und -intensität sind so abgestimmt, dass Kügelchen nicht nur an den Plattenrand stoßen, sondern auch miteinander kollidieren und so ihre Richtung ändern.
Fleiß zahlt sich jedoch nicht aus, bei 100-fachem Schwenken zeigten sich weniger Kolonien. Wer Platten nur auf und ab bewegt, muss länger schütteln und Variabilität in Kauf nehmen. Die Forscher empfehlen, programmierbaren Plattier-Robotern ihre „2–10-Kügelchen-mit-25 Bewegungen“-Regel beizubringen.
Andrea Pitzschke
Prusokas A. et al. (2021): Effectiveness of glass beads for plating cell cultures. Phys. Rev. E, 103:052410
Bild: Prusokas et al., BioRxiv, DOI: 10.1101/241752