Editorial

Pflanzenforschung in Hefe

(3.5.17) Wie grenzüberschreitend zelluläre Komponenten innerhalb verschiedener Spezies funktionieren und wie Pflanzen- und Tierforscher davon gleichermaßen profitieren können, demonstriert ein Forschertrio aus Halle mit einem unkomplizierten Hefe-Assay.
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Im Fokus steht hierbei das Enzym Poly(ADP-Ribose)-Polymerase (PARP), das posttranslational Poly(ADP-Ribose)-Anhängsel an Kernproteine anfügt (PARylation), die DNA-Reparaturkomponenten zu beschädigten DNA-Stellen locken sollen. PARPs sind  mitverantwortlich für die Integrität der Erbsubstanz, ihr Ausfall verursacht Krebs und andere Krankheiten.

In Hefen stoppt die heterologe Expression humaner PARPs (HsPARPs) das Wachstum der Zellen, mit HsPARP-Inhibitoren lässt sich dieser Effekt jedoch wieder umkehren.

Dagmar Rissel, Peter Paul Heym und Edgar Peiter vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-Universität-Halle-Wittenberg, machten sich dies zunutze, um die Funktion pflanzlicher PARPs zu untersuchen (Anal. Biochem. 527: 20-23).

In Pflanzen beteiligen sich PARPs nicht nur an der DNA-Reparatur, sondern auch an vielfältigen Stressantworten – die hierfür verantwortlichen Mechanismen sind jedoch weitgehend unbekannt.

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Um Näheres über sie herauszufinden, klonierten Peiters Mitarbeiter jeweils eine der drei Arabidopsis-PARPs (AtPARPs) sowie HsPARP1 in einen Hefe-Expressionsvektor. Um genügend PARP-Proteine in den Hefezellen zu produzieren, positionierte die Gruppe einen Galactose-Promotor vor das PARP-Gen. Erreichten die Zellen die gewünschte Dichte, erhielten sie als Startsignal zwei Prozent Galactose, um die PARP-Expression zu induzieren.

Wie erwartet traten HsPARP1-exprimierende Hefen in einen Wachstumsstreik, den die Forscher anhand der Zelldichte in 96-Well-Platten mit einem Mikroplattenreader verfolgten. Von den drei AtPARP-Genen zeigte jedoch nur AtPARP1 eine wachstumshemmende Wirkung, die etwa halb so stark war wie die des humanen Pendants.

Um sicher zu gehen, dass der Wachstumsstopp tatsächlich durch den Transfer von Poly(ADP-Ribose) auf Kernproteine ausgelöst wurde, führten die Forscher einen Immunoblot-Assay mit einem anti-PAR-Antikörper durch. Die Kulturen erhielten hierzu Galactose, damit sie reichlich AtPARP1 synthetisierten. Die nach Zellaufschluss erhaltenen Proteinextrakte versetzte das Trio mit Methanol, die erhaltenen Proben verwendete es anschließend für Dot Blots. Die getrockneten Punkte auf den Blots stanzten die Forscher aus. Anschließend transferierten sie die Nitrocellulose-Schnipsel in 96-Well-Platten und folgten dann dem üblichen Immunoblot-Prozedere.

Tatsächlich fanden Peiters Mitarbeiter eine ähnlich starke PAR-Modifikation in den Proteinextrakten wie nach der HsPARP1-Expression. AtPARP1 und HsPARP1 erfüllen in Hefezellen also die gleiche Funktion.

Warum die Gruppe die Probenpunkte ausstanzte und nicht einfach die gesamte Dot-Blot-Membran am Stück hybridisierte, wird aus dem Paper nicht ersichtlich. Entweder wollte sie die Konkurrenz zwischen einzelnen Probenpunkten um Antikörpermoleküle in der gemeinsamen Hybridisierungslösung umgehen oder sie improvisierte clever: Der von der Gruppe verwendete Lumineszenz-kompatible Plattenleser liefert quantitative Daten der Hybridisierungssignale und ersetzt die für die Visualisierung von Dot-Blot Membranen üblicherweise eingesetzte ChemDoc-Apparatur. Mit der ChemDoc generiert man dagegen erst ein Bild und quantifiziert dann die einzelnen Punkte.

Den etablierten PARP-Assay nutzte das Trio für Inhibitorstudien an einer Hefemutante, die eingeschleuste Substanzen nicht mehr aus der Zelle hinaus transportieren kann. Tatsächlich befreiten die HsPARP-Inhibitoren PHE sowie 3-AB, die Zellen von ihrer durch AtPARP1 ausgelösten Wachstumsstarre.

Mit dem PARP-Assay haben Pflanzenforscher das nötige Werkzeug für die systematische Suche nach weiteren pharmakologischen Inhibitoren, die pflanzliche PARPs blockieren. Bleibt die Frage, welche Wirkung die PARP-Inhibitoren auf Arabidopsis haben. Hierzu könnte man AtPARP-Mutanten und transgene AtPARP-Pflanzen gleich in die entsprechenden Experimente mit einbeziehen, ebenso wie unterschiedlich gestresste Pflanzen.

Dass der gegen poly(ADP)ribose-Gruppen gerichtete Antikörper auch bei Pflanzen funktioniert, macht ihn für in-vivo-durchgeführte Pull-down-Experimente attraktiv.

Der weiteren Erforschung pflanzlicher ADP-Ribosylierungs-Mechanismen steht also nichts mehr im Weg – und davon könnten auch Humanforscher profitieren.

 

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 26.05.2017