Editorial

Weise Worte

(10.5.16) Egal, ob es um Zellfragmen­tierung oder ums Bewässern der Versuchspflanzen geht: Auf die Technik kommt es an. Umso besser, wenn die Kollegen dazu einen einprägsamen Spruch auf den Lippen haben, erinnert sich unsere (andere) TA.

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 Worte sind Zwerge – Beispiele sind Riesen. Wissen prägt sich nachhaltiger ein, wenn es anhand eines Beispiels vermittelt wird, besagt das Sprichwort. Das kann ich bestätigen.

Im Laufe meines Arbeitslebens habe ich einige Weisheiten erfahren, die mir noch Jahre später hervorragende Dienste leisten. An meinem zweiten Arbeitstag machte ich meine erste Isolierung äußerer und innerer Chloroplastenmembranen, und noch heute beherrsche ich die optimale Quetschtechnik des Mullbeutels, gefüllt mit in Isolationspuffer gemixten Erbsenblättern, in vollendeter Perfektion.

Warum?

Weil mir der Doktorand, der mich dieses Verfahren lehrte, damals mit panischem Gesichtsausdruck den prall gefüllten Mullbeutel – den ich mit einer Hand oben zuhielt, während ich mit der anderen quetschte – mit den ergreifenden Worten entriss:

„Oh no, not like this!“

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Ich, verunsichert: “What´s wrong?“

Er bedachte mich mit einem vernichtenden Blick.

„Don´t press! It´s like milking a cow!“

Damit gab er mir den Beutel zurück und ging weg. Ich stand ein paar Minuten ratlos herum. Schließlich kam er zurück, und ich beichtete meine Unwissenheit. Er sah mich entgeistert an.

„You never milked a cow?“

Ich erklärte, dass Kühe in der Mitte Berlins nicht weit verbreitet und meine Melkfähigkeiten daher eher unterentwickelt sind. Erst später begriff ich, warum ihm das Gequetsche so wichtig war. Die falsche Quetschtechnik führt nämlich durch das im Puffer enthaltene BSA zu explosiver Schaumbildung, die man tunlichst vermeiden will.

Sollte ich als TA scheitern, habe ich damit den Grundstein für eine Laufbahn als Sennerin gelegt.

Und wie war das, als ich vor drei Jahren lernte, in flüssigem Stickstoff „geperlte“ Hefezellen zwecks mRNA-Isolation zu mörsern? Wie wäre es mit meiner Hefezellenmörserkarriere weitergangen, hätte der Doktorand damals nicht den legendären Satz gesagt:

Wenn du glaubst, es sei feinster Puder, musst du noch zwei Runden mörsern!"

Der Urheber hat inzwischen längst promoviert und ist weitergezogen, seinen Lehrsatz benutze ich noch heute, um neuen Kollegen die angestrebte Konsistenz des „Hefepulvers“ zu vermitteln.

Und zum Schluss noch der schöne Satz, mit dem mir eine Kollegin die Gießbedürfnisse ihrer kostbaren Arabidopsismutanten erläuterte:

Keine Sintflut veranstalten, nur kurz ertränken!“

Sollte eines jener Bonmots für eine Ihrer Lektionen von Nutzen sein, dürfen sie es gerne verwenden. Bis auf weiteres sogar kostenlos. Die Patentanträge liegen noch auf meinem Schreibtisch.


Maike Ruprecht

 



Letzte Änderungen: 27.07.2016